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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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schaffen, das Kratzen seines Bambusrechens war das einzige Geräusch bis auf den ständigen Hintergrundgesang der Zikaden.
    Yusuke sah ruhig aus, doch er war sehr mager geworden und die kräftigen Reitermuskeln an Hals und Schultern waren erschlafft. Er trug ein einfaches weißes Gewand und Shigeru durchfuhr ein jäher Schmerz der Trauer, denn das weiße Gewand zeigte an, dass Yusuke beabsichtigte, sich zu töten, und schon für das Begräbnis gekleidet war.
    Sie tauschten tiefe Verbeugungen und Shigeru setzte sich auf den Ehrenplatz mit dem Rücken zum Alkoven und schaute auf den verwahrlosten Garten hinaus. Doch selbst diese Wildnis hatte eine gewisse Schönheit. Shigeru sah, wie die Natur darum kämpfte, den Garten wieder in Besitz zu nehmen, wie die Samen sprossen, wohin sie gefallen waren, die Büsche in ihre natürliche Gestalt ausbrachen und der Hand des Menschen entwichen. Dieser Ehrenplatz gebührte ihm nicht mehr, doch weder er noch Yusuke konnten sich eine andere Art ihrer Beziehung vorstellen.
    Â»Ich bin sehr traurig über den Tod deines Sohnes«, sagte er.
    Â»Ich habe gehört, er starb durch den Verrat der Noguchi.«
    Â»Ich schäme mich, das zu bestätigen«, sagte Shigeru. »Es stimmt.«
    Â»Das war eine schreckliche Nachricht«, fügte Takeshi hinzu. »Ich kann nicht glauben, dass mein Freund so gefallen ist.«
    Â»Und Kamome?«, fragte der Alte, denn seine Pferde waren ihm fast so lieb wie seine Söhne.
    Â»Kamome wurde durch die Pfeile der Noguchi getötet. Kiyoshige starb mit dem gezogenen Schwert in der Hand, als wollte er den gesamten Noguchiclan selbst bekämpfen. Er war der beste Freund, den man sich wünschen konnte.« Sie saßen einige Momente schweigend da. Dann sagte Shigeru: »Du hast zwei deiner Söhne durch meine Familie verloren. Ich bedaure das zutiefst.«
    Er wollte Yusuke sagen, dass er vorhatte, Rache zu üben, dass er geduldig warten würde, dass Iida und Noguchi für Kiyoshiges Tod bezahlen würden und für den seines Vaters … Aber er wusste nicht, wer vielleicht zuhörte und er durfte nicht unbesonnen reden. Er betete, dass auch Takeshi schweigen werde.
    Â»Das Leben aller Familienmitglieder gehört bereits Lord Shigeru«, antwortete Yusuke. »Nur dank Ihrer Weisheit und Ihres Mitgefühls haben wir bis jetzt gelebt.« Er lächelte und plötzlich glänzten Tränen in seinen Augen. »Sie waren bei dieser Entscheidung erst zwölf Jahre alt! Aber das ist der Grund, warum ich Sie hergebeten habe. Wie gesagt, mein Leben gehört Ihnen. Ich bitte Sie, mich von dieser Verpflichtung zu entbinden. Ihren Onkeln kann ich nicht dienen. Mein einzigerüberlebender Sohn ist ein Priester. Ich erwarte nicht, dass der Flussgott ihn mir zurückgibt. Ich wünsche mir nur, mein Leben zu beenden. Ich bitte um Ihre Einwilligung, das zu tun und ich frage Sie, ob Sie mir dabei helfen.«
    Â»Vater!«, sagte Hiroki, aber Yusuke hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ich sehe, Sie haben das Schwert Ihres Vaters«, sagte er zu Shigeru. »Gebrauchen Sie Jato an mir.«
    Wieder spürte Shigeru den Sog des Todes. Wie konnte er diesem hervorragenden und treuen Mann das Leben nehmen und selbst weiterleben? Yusuke würde der erste von vielen Vätern sein, die ihre Söhne verloren hatten, Krieger, die den Kampf überlebt hatten und nicht mit der Beschämung und Entehrung der Niederlage leben wollten. Die Besten der Otori würden diesen bereits Verlorenen folgen – der Clan würde sich selbst zerstören. Doch wenn er schon tot wäre, würde ihn das alles nichts angehen … Besser vielleicht, es zu akzeptieren, seiner Frau, der Mutter, dem Bruder befehlen, sich zu töten, und selbst zu sterben. Er konnte fast spüren, wie Takeshi neben ihm ihn innerlich beschwor, es zu tun.
    Auf der Weide hörte Shigeru den Hengst wiehern, ein Ruf, der so sehr dem von Karasu glich, dass es war, als hörte er einen Geist.
    Â»Wir brauchen mehr Pferde«, sagte er. »Ich werde Sie von Ihren Verpflichtungen mir gegenüber befreien – Ihr Sohn Kiyoshige hat alle diese Schulden mehrfach beglichen –, aber ich habe noch eine Bitte an Sie: dass Sie die Pferdeherden aufbauen, bevor Sie uns verlassen.«
    Er konnte sich nichts vorstellen, das den Stolz undden Geist des Clans besser wiederherstellen würde als die Wiederkehr

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