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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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musste. Er bat seine Onkel um die Reiseerlaubnis und war überrascht, erfreut und alarmiert zugleich, als er sie ohne Weiteres erhielt. Er ordnete seine Angelegenheiten so weit wie möglich für den Fall, dass er nicht zurückkommen würde, und brach mit wenigen eigenen Gefolgsleuten und seinem Pferd Kyu auf. Das war eine ganz andere Art des Reisens als die letzte mit Kenji, als sie zu Fuß und inKleidung ohne Kennzeichen unterwegs gewesen waren. Jetzt trug er die Gewänder eines Lords des Otoriclans und Jato lag ungetarnt an seiner Hüfte.
    Die außerordentliche Hitze und die Taifune hatten zu einer kargen Ernte geführt und er sah Zeichen der Not in Dörfern und auf Bauernhöfen, verwüstete Felder und Gebäude, die noch nicht wiederhergestellt waren. Doch jetzt war das Wetter schön und mild, die Farben des Herbstes begannen gerade den Wald zu tönen wie vor zwei Jahren, als er heimlich zu dem Treffen mit Lady Maruyama nach Seisenji gereist war. Zum ersten Mal seit damals ritt er diesen Weg und konnte nicht übersehen, welche Wirkung sein Erscheinen auf die Leute hatte. Sie strömten herbei, um ihn zu sehen, und folgten ihm mit Blicken, in denen er eine verzweifelte Aufforderung zu erkennen glaubte, sie nicht zu vergessen, nicht aufzugeben.
    Eijiros altes Haus stand noch und als Shigeru durch das Tor ritt, wurde er zu seiner Überraschung von Lord Kitanos jüngerem Sohn Masaji begrüßt.
    Â»Vater wollte, dass ich das Gut übernehme«, erklärte der etwas verlegen, als würde er sich wie Shigeru an den Tag erinnern, an dem Eijiro sie hier willkommen geheißen und sie mit seinen Söhnen und Töchtern gewettifert hatten – jetzt waren alle Männer der Familie tot, die Frauen im Exil. »Lord Otori Eijiro war ein großartiger Mann«, fügte der junge Masaji hinzu. »Wir sind glücklich, seiner Frau bei der Gedenkstätte behilflich zu sein, und entzückt, dass Lord Shigeru ebenfalls kommen konnte.«
    Shigeru neigte leicht den Kopf, antwortete aber nicht.
    Â»Die Zeremonie wird morgen abgehalten«, sagte Masaji. »Inzwischen werden Sie hoffentlich unsere Gastfreundschaft genießen.«
    Shigeru merkte, dass der junge Mann verlegen und nervös war.
    Â»Bestimmt würden Sie gern baden und sich umziehen. Dann essen wir mit meiner Frau und den Damen … Lady Maruyama ist ebenfalls hier, ihre Gefährtin ist Lady Erikos Schwester und ihr Bruder Lord Sugita hat sie begleitet.«
    Erleichterung, Freude, Begehren, das alles durchströmte Shigeru. Sie war hier – er würde sie sehen. Er nickte, sagte aber immer noch nichts, teils, weil er seiner Stimme nicht traute, teils, weil er sehen konnte, dass Masaji durch sein Schweigen eingeschüchtert und verunsichert wurde. Trotz allem, was seit ihrer letzten Begegnung geschehen war, hatte Masaji immer noch großen Respekt vor ihm und behandelte ihn ehrfürchtig. Das amüsierte und tröstete ihn.
    Das alte Haus war renoviert, mit neuen Matten und neuen Wandschirmen ausgestattet worden. Die ursprüngliche Schönheit war noch verstärkt, doch die Wärme, die es so bezaubernd gemacht hatte, war für immer verschwunden.
    Als Shigeru in den Raum geführt wurde, wo die Damen bereits saßen, wagte er es nicht, Naomi anzuschauen. Er war sich ihrer Anwesenheit bewusst, konnte ihren Duft riechen. Wieder war es wie ein Schlag. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Lady Eriko, es musste hier unerträglich traurig für sie sein. Sie warblass und angestrengt, gab sich aber gelassen. Sie begrüßten einander warm, dann sagte Eriko: »Ich glaube, Sie haben Lady Maruyama und meine Schwester bereits kennengelernt.«
    Naomi sagte, indem sie seinen Blick erwiderte: »Lord Otori und ich sind uns zufällig vor einigen Jahren in Terayama begegnet.«
    Â»Ja, ich erinnere mich.« Erstaunt stellte er fest, dass seine Stimme so ruhig klang wie ihre. »Ich hoffe, Lady Maruyama geht es gut.«
    Â»Danke, ich habe mich erholt. Jetzt geht es mir wieder gut.«
    Â»Sie waren krank?«, fragte er ein bisschen zu schnell, er konnte seine Besorgnis nicht verbergen.
    Sie lächelte ihn mit ihren Augen an, als wolle sie ihn beruhigen.
    Â»Lady Maruyama war lange sehr krank«, sagte Sachie leise. »Im Westen wütete in diesem Sommer eine regelrechte Seuche.«
    Â»Meiner Mutter ging es auch nicht besonders gut.« Er bemühte sich um einen

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