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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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kann, werde ich nie Frieden finden.«
    Eriko und Sachie wechselten einen kurzen Blick und Sachie sagte ebenso leise: »Meine Schwester und ich konnten Ihnen bei dem, was Sie zuvor brauchten, nicht helfen. Aber vielleicht können wir Ihnen jetzt eine Heilung anbieten.«
    Â»Es gibt keine Kräuter gegen diese Art Schmerz«, sagte Naomi.
    Â»Aber es gibt einen, der Ihnen helfen kann«, erklärte Eriko zögernd.
    Naomi schwieg lange. Sie hatte Shigeru erzählt, dass sie mit den Lehren der Verborgenen vertraut sei und sogar große Sympathie für die verfolgte Sekte empfinde. Aber sie hatte ihm nicht gesagt – denn es war nicht an ihr, das Geheimnis zu verraten –, dass Sachie und Eriko Gläubige waren, dass Mari, die Nichte des Gefolterten, den Shigeru vor Jahren bei Chigawa gerettet hatte, jetzt im Schloss arbeitete und die beiden Frauen auf dem Laufenden hielt über die Verborgenen im ganzen Westen. Mari stand auch in Verbindung mit dem früheren Otorikrieger Harada, der so etwas wie ein Wanderpriester geworden war, nachdem er Nesutoro als Jünger und Helfer gedient hatte. Naomi hatte mit den beiden Schwestern viel über ihren Glauben diskutiert und sich in der Vergangenheit oft gewünscht, sie könne sich wie diese beiden der Liebe und Gnade des höchsten Wesens überlassen, das sie so annehmen würde, wie sie war, ein normaler Mensch, nicht besser und nicht schlechter als jeder andere. Doch jetzt hatte sie ein Leben ausgelöscht, über alle Vergebung hinaus gesündigt – und konnte nicht bereuen, denn unter den gleichen Umständen würde sie wieder das Gleiche tun.
    Â»Ich weiß, was ihr meint«, sagte sie schließlich. »Ich würde mich an jedes geistige Wesen wenden, das mir Erleichterung verschaffen könnte. Aber ich habe sehr gesündigt, indem ich mein eigenes Kind tötete. Ich kann nicht offen zu dem Erleuchteten beten oder zum Schrein gehen. Wie kann ich mich an euren Gott wenden, an den Geheimen, wenn euer erstes Gebot heißt, du sollst nicht töten?«
    Eriko sagte: » Er kennt alles in Ihrem Herzen. Sein erstes Gebot heißt, ihn zu lieben, sein zweites, alle Menschen zu lieben und denen zu vergeben, die uns hassen. Deshalb nehmen wir kein Leben. Das kann nur er entscheiden. Wir leben in und mit der Welt. Wenn wir bereuen, dann glaube ich, dass er versteht und uns vergibt.«
    Â»Und auch Ihnen vergeben wird«, fügte Sachie hinzu und ergriff Naomis Hand.
    Eriko nahm die andere Hand und dann saßen sie mit gebeugten Köpfen da. Naomi wusste, dass die beiden Frauen beteten, und sie versuchte ihr Herz und ihre Gedanken zu beruhigen.
    Sie machen sich etwas vor, dachte sie. Da ist nichts – und selbst wenn etwas da wäre, könnte ich die Stimme nicht hören, denn ich bin Regentin und ich muss beim Regieren Macht ausüben.
    Doch als sich die Stille vertiefte, wurde sie sich der Gegenwart eines höheren Wesens bewusst, das sie zugleich überragte und bescheiden darauf wartete, dass sie sich ihm zuwandte. Sie verstand plötzlich, dass das die höchste Ergebenheit war, die jemand schwören konnte. Man konnte vor diesem Wesen knien und ihm Körper und Seele unterwerfen. Es war der Gegensatz zur irdischen Macht eines Kriegsherrn wie Iida und vielleicht die einzige Macht, die solche Männer in ihre Schranken weisen konnte.
    Sie wandte sich ihm zu und flüsterte: »Es tut mir leid«, und sie fühlte eine ganz leichte Berührung, wie eine heilende Hand an ihrem Herzen.
    Den Winter hindurch sprach sie häufig mit Eriko und Sachie und betete mit ihnen und vor Beginn des neuen Jahres war sie in die Gemeinschaft der Verborgenen aufgenommen worden.
    Sie erkannte, dass es viele Ebenen des Glaubens gab und viele Menschen ihm anhingen, von denen sie es nicht erwartet hatte. Sie merkte, welches Netz sie über ihre Domäne, über den ganzen Westen und gar über die Drei Länder gespannt hatten, auch wenn sie in den Tohanländern immer noch verfolgt wurden. Es gab Gerüchte, nach denen Iida selbst an der Hetzjagd gegen sie teilnahm und so seine Lust am Töten auslebte.
    In vieler Hinsicht kämpfte Naomi gegen den Glauben. Es war keine leichte Entscheidung. Ihr Stolz aufihre Stellung und ihre Familie erschwerten es ihr, sich mit gewöhnlichen Menschen auf die gleiche Ebene zu stellen. Sie glaubte, sie immer gerecht behandelt zu haben, doch sie als ihresgleichen zu

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