Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
dann würde ich sehen, was unter seiner Ehre zu verstehen ist. Aber er ist zu schlau, um das Mittlere Land zu verlassen.«
»Es gibt keinen gröÃeren Krieger als Lord Iida«, murmelte sie und dachte, wie gut es war, dass ihm bei seiner Eitelkeit keine Schmeichelei je zu übertrieben erschien.
»Ich nehme an, Sie haben meinen Nachtigallenboden gesehen?«, sagte er. »Mein Geschick als Krieger ist nicht alles, was ich habe. Ich bin auch schlau und misstrauisch, vergessen Sie das nie!«
Die Audienz war beendet und sie kehrte in ihre Gemächer zurück. Die Tage vergingen langsam und langweilig, abgesehen von dem Vergnügen, mit ihrer Tochter zusammen zu sein. Naomis Ãngste nahmen zu. Ihre monatliche Blutung war zwei Tage verspätet, drei Tage, dann eine Woche. Sie fürchtete, die Veränderungen in ihrem Körper, besonders der Beginn der morgendlichen Ãbelkeit, würden nur zu rasch bemerkt, und wusste, dasssie ihre Abreise nicht hinausschieben durfte. Nachts lag sie wach und versuchte zu planen, was erledigt werden musste, sobald sie nach Maruyama zurückkam. Wer würde ihr helfen können? Alle ihre üblichen Ãrzte waren Männer, sie könnte es nicht ertragen, ihnen ihr Geheimnis anzuvertrauen. Und sie konnte auch nicht Sachie oder deren Schwester Eriko bitten, ihr beim Töten ihres Kindes zu helfen, obwohl beide sich mit Kräutern, Medikamenten und der Heilkunst auskannten. Die einzige Person, die ihr einfiel, war Shizuka. Sie wusste doch bestimmt über solche Dinge Bescheid? Und sie würde verstehen und nicht richten â¦
Am Tag, bevor sie Inuyama verlieÃ, schickte sie Bunta mit einer Botschaft fort, in der sie Shizuka bat, sofort nach Maruyama zu kommen.
Mariko war tief enttäuscht, als sie abreiste, und sie trennten sich mit Tränen auf beiden Seien. Die Rückreise war schwierig. Es sah aus, als hätte sich alles verschworen, sie elend zu machen. Es wurde plötzlich unverhältnismäÃig heiÃ, der Regen begann, bevor sie Yamagata verlieÃ, doch sie bestand darauf, nach Hause zu kommen, und wollte nicht in der Stadt bleiben und so brachte sie die letzte Reisewoche bei ununterbrochenem Regen hinter sich. In Buntas Abwesenheit waren die Pferde schlecht aufgelegt und schwierig. Alles war durchweicht und roch verschimmelt. Sachie erkältete sich und war deshalb noch unglücklicher über Naomis unerklärliche Eile. Doch so unerfreulich die Reise auch war, was Naomi zu Hause bevorstand, verängstigte sie noch mehr. Sie wusste nicht, wie sie die Kraft finden sollte zu tun, was getan werden musste.
KAPITEL 45Â
Als Naomi zu Hause ankam, hatte ihre Gefährtin Sachie, die sie so genau kannte, schon erraten, was geschehen war. Allein in der Residenz, starrten die beiden Frauen einander an. In Sachies Augen stand eine Frage. Naomi konnte nur nicken.
»Aber wie?«, fragte Sachie.
»In Terayama. Er war dort. Sag nichts. Ich weiÃ, wie dumm ich mich verhalten habe. Jetzt muss ich es loswerden.«
Sie sah Sachie zusammenzucken und war zu Unrecht wütend auf sie. »Ich bitte dich nicht, dich irgendwie damit zu beschäftigen. Wenn es dich kränkt, dann verlasse mich. Jemand wird kommen und mir helfen.« Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie mit versagender Stimme: »Aber sie muss bald kommen.«
»Lady Naomi!« Sachie streckte die Arme nach ihr aus, zu einer Umarmung bereit, doch Naomi blieb steif stehen. »Nie würde ich Sie in einer solchen Zeit verlassen! Aber gibt es denn keine andere Lösung?«
»Mir fällt keine ein«, sagte Naomi bitter. »Wenn du einen Ausweg weiÃt, damit ich Lord Shigerus Kind nicht töten muss, dann sag es mir. Wenn nicht, dann hab kein Mitleid mit mir, sonst schwächst du mich. Ich werde später weinen, wenn alles vorbei ist.«
Sachie neigte den Kopf, sie hatte Tränen in den Augen.
»Inzwischen kannst du im Haus verbreiten, ich hätte mich schwer erkältet. Ich will niemanden sehen auÃer der Frau, mit der wir nach Yamagata geritten sind, Muto Shizuka. Sie muss bald kommen«, wiederholte sie und starrte in den Garten und den ständigen Regen.
Zwei Tage später gab es eine kurze Wetterbesserung, und in einem Moment mit Sonnenschein und blauem Himmel kam Shizuka mit Bunta an.
Allein im Raum mit Naomi, hörte sie schweigend die kurze Bitte an, bat um keine Erklärungen und zeigte kein Mitgefühl.
»Ich
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