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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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allem Sadamu nützlich waren.«
    Â»Der Sadamu, der auch gehofft hat, von Ihnen zu lernen!«, sagte Shigeru.
    Â»Ach, ich wäre nie nach Inuyama gegangen. Ich mag das Klima nicht. Jedenfalls muss ich es jetzt nicht, ich bin zufrieden mit meinem Otorischüler. Tatsächlich bin ich sehr stolz auf Sie.«
    Â»Obwohl ich hinterher alles falsch gemacht habe! In dem Moment, in dem ich Sie schlug, sah ich Sie als Verräter«, gestand Shigeru. »Ich dachte, Sie seien in eine Verschwörung verstrickt … Es ist zu dumm, um darüber nachzudenken.«
    Â»Ich habe Sie angetrieben, sosehr ich konnte. Ich wusste, dass mehr in Ihnen steckt, als Sie mich bis jetzt sehen ließen. Sie sind vertrauensvoll, Lord Shigeru. Das ist eine Tugend, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Jetzt wissen Sie, wie Sie Ihre Stärke entfesseln können, nämlich durch den Verdacht auf Betrug und die reine Wut, die das auslöst. Sie können heute allein üben. Sie müssen lernen, mit Ihrem Willen aufzurufen, was Sie intuitiv entdeckt haben. Ich werde mich ausruhen.«
    Â»Wir sollten zum Tempel zurück.« Shigeru betrachtete das bleiche Gesicht seines Lehrers und die wachsende Beule. »Dort kann man Sie pflegen.«
    Â»Es ist noch nicht an der Zeit«, entgegnete Matsuda. »Ich werde ein paar Tage lang ruhen. Wir werden hier das Totenfest verbringen und vor den Herbststürmen zum Tempel zurückkehren, falls ich nicht früher gerufen werde. Die Gesundheit unseres Abts ist angegriffen, wie Sie wissen. Wenn er sterben sollte, müsste ich sofort zurück.
    Jetzt haben wir viel zu lange geredet. Wir werden den Rest des Tages schweigend verbringen. Sie können ein wenig Suppe zubereiten und dann mit Ihren Übungen beginnen.«
    Es gab vieles, worüber Shigeru gern geredet hätte. Seine Gedanken jagten einander im Kreis. Er erkannte, dass ihn nach Lob, nach Bestätigung verlangte, und er wusste, dass Matsuda ihm schon so viel gegeben hatte, wie er geben wollte. Er wollte sagen: »Nur noch eine Frage«, aber Matsuda gebot ihm zu schweigen. »Ich schlage vor, dass Sie zuerst meditieren, um Ihre Gedanken zu beruhigen.«
    Während Shigeru meditierte, betrachtete er leidenschaftslos seine Handlungen und versuchte daraus zu lernen. Er erkannte die Begabung, die hinter seiner Schwertkunst lag, ebenso klar wie die charakterliche Unreife, die zu seiner Panik und Verwirrung geführt hatte. Allmählich kamen seine Gedanken zur Ruhe, sein Geist leerte sich.
    Als er am Abend hinausging, um Pilze für die Mahlzeit zu sammeln, hoffte er fast, den Mann vom Stamm wiederzusehen – den Fuchs , dachte er lächelnd. Der Fuchs streifte also über diese Berge und sammelte Kräuter zum Heilen und Vergiften. Der Mann hatte ebenso seine Neugier geweckt wie die Geheimnisse des Stamms.
    Ich werde ihn erkennen, wenn ich ihn wiedersehe , sagte er sich und hatte das Gefühl, dass sie sich wieder treffen würden, als wäre zwischen ihnen eine Verbindung aus einem früheren Leben. Ich muss mehr über den Stamm herausfinden, vielleicht seine Angehörigen sogar benutzen, wie es die Tohan machen.
    Doch er sah den Fuchs ebenso wenig wie irgendwelche Spuren seiner Anwesenheit. Matsuda erholte sich und sie nahmen ihre täglichen Kämpfe wieder auf. Shigeru lernte, die neu gefundene Kraft mit größerer Genauigkeit einzusetzen. Häufig war er dem Lehrer überlegen, aber er schlug ihn nie wieder so fest.
    Sie verbrachten die Tage des Totenfestes mit Fasten und Meditation. Zum ersten Mal war Shigeru an diesen ernsten Feiertagen fern von seiner Familie. Sein Vater besuchte abwechselnd die Tempel von Tokoji und Daishoin in Hagi oder fuhr nach Yamagata und Terayama. Dieses Jahr würde er in Hagi bleiben. Shigeru stellte sich vor, wie sein Bruder und ihre Freunde Laternen in Papierbooten auf den Fluss setzten und zuschauten, wie die Strömung sie weit hinaus aufs Meer trug. Er sah die Bucht vor sich, die Inseln, die zerklüftet aus dem Wasser ragten, die Laternen und ihr goldenes Licht im blauen Dunst, und er empfand ein jähes Heimweh nach dem Ort, den er so sehr liebte.
    Der Wald ringsum war nicht weniger schön. Inzwischen liebte er auch ihn, weil er ihn erkundet hatte und besser kannte; doch dieser Wald war einsam, menschenleer, und in den Nächten, wenn die Toten die Lebenden besuchten, wirkte er noch abgeschiedener.
    Lichter funkelten in der Ferne, wo die

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