Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Nagai â für ihre Treue würde ich mit meinem Leben bürgen. Endo und Miyoshi sind Pragmatiker, ihre Loyalität gehört zuerst dem Clan, sie werden also den unterstützen, der ihn führt. Wenn Sie zurückkehren, müssen Sie auf der Hut sein. Sollten Sie zum Krieg gegen die Tohan raten, werden Ihre Gegner im Clan versucht sein Sie auszuschalten, und sie werden die Unterstützung der Tohan haben. Seien Sie vorsichtig, wem Sie vertrauen. Und versuchen Sie nicht, jemanden vom Stamm in Ihr Leben zu lassen.«
»Es muss fast unmöglich sein, sie zu erkennen.« Shigeru lächelte reuevoll.
»Sie sind Menschen. Trotz ihrer fast übernatürlichen Fähigkeiten sterben sie wie jeder andere. Ich glaube, sie können erkannt und bezwungen werden.«
»Ich habe einen doppelten Feind: einen aggressiven, ehrgeizigen Clan und einen Stamm von Attentätern.«
»Aber Sie begegnen Ihnen mit doppelten Waffen: Ihrem eigenen Charakter und der Liebe und Treue Ihrer Leute.«
»Wird das reichen zum Sieg?«
Matsuda lachte wieder. »Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Ich weià nur, dass es für den Anfang genug ist. Sie können jetzt schlafen, wenn Sie wollen, ich werde noch eine Zeit lang in der Gesellschaft der Toten sitzen bleiben.«
Shigeru war nicht müde und wünschte sich, sein Lehrer würde weiterreden. »Ich weià nichts von Ihrem Leben, Ihrer Familie«, sagte er. »Haben Sie Söhne, haben Sie je geheiratet?«
»Natürlich habe ich geheiratet, als ich ein junger Mann war. Meine Frau ist vor vielen Jahren gestorben. Wir hatten mehrere Kinder, aber keins hat die Kindheit überlebt. Und soweit ich weiÃ, habe ich keine lebenden Nachkommen. Meine Kinder sind meine Schüler, dieMönche in meiner Obhut. Ich hoffe, ich werde in Terayama sterben und begraben werden.«
»Und was brachte Sie dazu, Ihr Leben als Krieger aufzugeben, als Sie der gröÃte Kämpfer waren, den die Drei Länder je kannten?«
»Niemand ist der GröÃte«, sagte Matsuda. »Es wird immer einen geben, der gröÃer ist als man selbst oder gröÃere Talente hat. All meine Energie und jene Jahre meines Lebens hatten nur einem Zweck gedient: ein Experte in der Kunst des Tötens zu werden. Es ist eine schreckliche Sache, sich selbst als den GröÃten zu wähnen. Daraus entstehen bei einem selbst Hochmut und bei anderen Neid. Junge Männer forderten mich heraus. Ich wurde ihrer Torheit und ihres Muts überdrüssig.« Er schwieg. Die Insekten der Nacht summten laut, Frösche quakten.
»Ich habe einmal zu oft getötet. Ich wollte diese Reue nicht wieder empfinden. Vor zehn Jahren kam ich etwa um diese Jahreszeit nach Terayama. Ich bin nie mehr weggegangen. Ich wollte nicht länger in der Welt leben. Doch die Welt lässt uns nicht allein. Immer ruft sie nach uns, nur der Erleuchtete führte ein Leben frei von Irrtum. Wir anderen machen Fehler und müssen dann mit ihnen leben. Gehen Sie jetzt zu Bett.«
»Ich werde bei Ihnen sitzen bleiben und Ihnen und den Toten Gesellschaft leisten«, sagte Shigeru. »Wenn Sie es gestatten.«
Matsuda lächelte und nickte, dann löschte er die Lampe. Sie saÃen schweigend und ohne sich zu regen, während der groÃe Sternenhimmel über ihnen kreiste.
KAPITEL 12Â
In den Tagen nach diesem Gespräch nahmen der Meister und sein Schüler wieder ihre schweigende Routine auf. Es war die Zeit der gröÃten Hitze, doch Shigeru lernte das klebrige Unbehagen des Körpers so zu ignorieren wie Matsuda. Die Quelle rann kühl durch die heiÃesten Tage und oft zog er sich am Abend aus und badete im Teich. Während des Sommers war er gewachsen und hatte seine volle GröÃe erreicht, gut über MittelmaÃ. Ständige Ãbungen und Disziplin hatten seine Muskeln aufgebaut und die letzten Reste der Kindheit getilgt. Er wusste, dass er ein Mann geworden war, und brannte oft darauf, in die Welt zurückzukehren, besonders wenn er an die Spannungen zwischen den Clans und die mangelnde Vertrauenswürdigkeit seiner Onkel dachte, doch er fand sich damit ab, dass er noch die Lektionen der Geduld und der Selbstbeherrschung lernen musste.
Eine Füchsin schlich manchmal in der Dämmerung durch die Lichtung und einmal überraschte Shigeru die jungen Füchse beim Spielen in einer Höhle. Hirsche und Kaninchen kamen gelegentlich, um im
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