Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
ging hinaus in den Regen, entschlossen, zurückzugehen und herauszufinden, wo er die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Doch nicht weit vor sich sah er die dunkle Gestalt wiederauftauchen. Der Mann drehte sich um und winkte ihm.
    Â»Folge mir«, rief er.
    Sie gingen eine schmale Fuchsfährte entlang, direkt den Hang hinauf, und mussten gelegentlich auf allen vieren über Steine klettern oder sich durch das Dickicht kämpfen. Der Mann war ein gutes Stück voraus und verschwand, wenn Shigeru ihm zu nahe kam, tauchte aber immer wieder auf. Es war, als würde Shigeru von einem Fuchs geführt – und er fragte sich, ob er tatsächlich von einem Fuchsgeist verzaubert worden war und in die Geisterwelt geführt wurde. Der prasselnde Regen, dasgrünliche Licht, das Krachen und Grollen des Donners, die silbrigblauen Blitze, das alles schien aus einem anderen Reich zu kommen, wo die normalen Regeln des Lebens gebrochen waren und stattdessen Magie herrschte. Und was war mit Matsuda? Was, wenn er schon tot war? Er hatte seinen Lehrer nicht nur verletzt, er hatte auch völlig dabei versagt, ihm Hilfe zu bringen.
    Sie überquerten einen kleinen Kamm, stiegen wieder bergab und plötzlich wusste Shigeru, wo er war. Er drang nicht immer tiefer in die Geisterwelt ein, sondern machte den Abstieg zur Hütte auf einem Weg, den er schon häufig benutzt hatte. Er fing an zu laufen, wusste nicht, ob er den Geistermann dabei überholte oder nicht, und dachte nur mit fast berstender Brust an Matsuda.
    Der Regen strömte vom Dachvorsprung der Hütte, wühlte den Boden darunter auf und lief in schlammigen Strudeln dem Teich zu. Matsuda lag auf der Seite, genau, wie Shigeru ihn verlassen hatte, er schlief immer noch, schnarchte aber nicht mehr.
    Shigeru kniete sich neben ihn. Die Decken waren schon nass und die Haut des Alten fühlte sich feucht an.
    Â»Sir! Lord Matsuda!« Er schüttelte ihn sanft. Zu seiner Erleichterung flatterten Matsudas Lider, doch er wachte nicht auf.
    Das Regengeräusch veränderte sich ein wenig und Shigerus Führer trat auf die Veranda. Auch er kniete nieder und fühlte Matsudas Puls am Hals.
    Â»Was ist passiert?«
    Â»Ich habe ihm einen Schlag versetzt, als wir zusammen geübt haben; er unterrichtet mich im Schwertkampf.«
    Â»Du hast Matsuda geschlagen? Was für ein Novize bist du denn? Du siehst aus wie ein Otori.«
    Â»Ich bin Otori Shigeru. Ich wurde für ein Jahr nach Terayama geschickt, es ist Teil meiner Erziehung.«
    Â»Lord Shigeru, ich bin geehrt, Sie zu treffen«, sagte der Mann mit leichter Ironie. Er nannte seinen Namen nicht, beugte sich stattdessen wieder über Matsuda, zog die Lider des Alten auf und spähte ihm in die Augen. Dann tastete er vorsichtig die Prellung an der Schläfe ab.
    Â»Ich glaube nicht, dass sein Schädel gebrochen ist. Sie haben ihn einfach bewusstlos geschlagen. Er wird bald wieder aufwachen. Hier habe ich ein paar Kräuter – getrocknetes Eisenkraut, Weidenrinde und anderes, sie werden den Schmerz und die Übelkeit vertreiben. Bleiben Sie auf jeden Fall bei ihm. Der Schlag ist nicht so schlimm wie die Gefahr, hinterher zu ersticken.«
    Er zog einen kleinen Beutel hervor und gab ihn Shigeru.
    Â»Danke«, sagte Shigeru. »Ich bin dir sehr dankbar. Komm zu mir, wenn ich wieder in Hagi bin, dann wirst du belohnt.«
    Seine Stimme wurde immer leiser. Er kam sich töricht vor, denn welche Belohnung konnte er einem Fuchsgeist schon bieten? Doch wenn der Mann sichtbar war, wirkte er so echt wie ein gewöhnlicher Mensch.
    Â»Vielleicht werde ich eines Tages nach Hagi kommen.«
    Â»Du wirst immer willkommen sein. Sag mir deinen Namen.«
    Â»Ich habe viele Namen. Manche Leute nennen mich den Fuchs.« Er lachte über Shigerus Gesichtsausdruck.»Geben Sie Acht auf Ihren Lehrer.« Er verbeugte sich tief, sagte respektvoll und spöttisch zugleich »Lord Otori« und verschwand.
    Shigeru trug Matsuda in die Hütte und legte ihn auf die Matratze, schürte das Feuer und holte frisches Wasser. Er war nass bis auf die Haut. Er zog seine Sachen aus, um sie zu trocknen, und saß nackt am Feuer, bis das Wasser kochte. Kalt war es nicht; und als der Regen am Ende des Nachmittags nachließ, kehrte die Hitze noch schwüler zurück als zuvor.
    Kurz bevor es dunkel wurde, regte sich Matsuda. Er schien Schmerzen zu haben. Shigeru bereitete rasch den Tee und

Weitere Kostenlose Bücher