Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Mitgefühl. Er hatte schlieÃlich nach dem Glauben dieser Menschen, die Verborgene genannt wurden, gefragt. Jetzt erfuhr er etwas darüber, nicht nur durch Worte, sondern direkt durch die Frau vor ihm, die sich für ebenbürtig hielt.
»Es gibt ein anderes Bild«, sagte sie abrupt. »Lord Otori sollte wissen â¦Â« Erneut schaute sie ihn direkt an,aber nach diesem Blick senkte sie wieder die Augen. Ihre Stimme wurde leiser â er musste sich anstrengen, um sie zu verstehen, und beugte sich zu ihr. Sie flüsterte: »Es ist die Mutter mit dem Kind. Sie ist die Mutter Gottes, das Kind ist Gottes Sohn. Unsere Religion ehrt Frauen und ihre Kinder und versucht sie vor der Grausamkeit der Männer zu schützen. Gott wird die bestrafen, die uns verfolgen, selbst die Iidalords.«
KAPITEL 17Â
Als sie früh am nächsten Morgen aufbrachen, stieg immer noch Rauch von den verkohlten Balken und Binsen auf. Der Feuergeruch machte die jungen Pferde nervös, sie scheuten und bockten, während die Reiter einem schmalen Pfad durch die Reisfelder und einem weiteren den Hang hinauf zu einer niedrigen Bergkette folgten, vorbei an trockenen Gemüsefeldern â Kürbisse, Bohnen, Zwiebeln und Karotten â, die zuerst Bambusgehölzen und dann einem Bergwald mit Buchen und Zedern wichen. Sie ritten hintereinander, sodass Gespräche unmöglich waren, doch als sie an dem höchsten Berg der Kette anhielten und die Pferde aus einem seichten, von einer Quelle gespeisten Teich trinken lieÃen, bemerkte Kiyoshige: »Diese sonderbare Sekte soll also künftig unseren Schutz genieÃen?«
»Ehrlich gesagt«, antwortete Shigeru, »ist mir diese Sekte gleichgültig. Sie scheint harmlos genug zu sein. Aber solange diese Menschen Otori sind, werde ich sie vor den Tohan beschützen. Wenn sie ausgerottet werden sollen, wird das unsere Entscheidung sein. Wir werden den Tohan nicht erlauben, solche Dinge für uns zu entscheiden.«
Irie sagte: »Das ist eine ganz vernünftige Einstellung. Niemand kann sie missbilligen.«
»Ich habe über Kitano nachgedacht«, sagte Shigeru. »Wir sind in seiner Domäne â mein erster Gedanke war, ihm diese Sache zu verheimlichen. Aber er wird es erfahren, sobald wir in Chigawa ankommen. Deshalb halte ich es für besser, wenn wir ihn direkt damit konfrontieren und ihm selbst Boten schicken mit der Aufforderung, seine Söhne aus Inuyama zurückzuholen. Er soll selbst nach Chigawa kommen und meinem Vater und mir erneut Treue schwören.«
»Und wenn die Iida den Jungen die Rückkehr nicht erlauben?«
»Dann müssen wir versuchen, Druck auszuüben, damit sie sich fügen.«
»Und wie?«, fragte Kiyoshige. »Da haben wir nicht viele Möglichkeiten.«
»Lord Irie?«
»Ich fürchte, Kiyoshige hat Recht: Wir können mit weiteren Angriffen drohen, aber das wird die Iida eher erzürnen und verhärten als beschwichtigen. Und wir müssen uns hüten, schon jetzt in einen richtigen Krieg hineingezogen zu werden, denn darauf sind wir noch nicht vorbereitet.«
»Wie lange wird es dauern, bis die Otori zu einem Krieg gegen die Tohan bereit sind?«
»Bis nächstes Jahr oder das Jahr danach.«
»Wir sind schon jetzt den Tohan gewachsen«, sagte Kiyoshige heiÃblütig.
»Wenn es um Mann gegen Mann geht, bezweifle ich das nicht. Aber sie sind uns zahlenmäÃig überlegen, sie haben viel mehr FuÃsoldaten.«
»Noch mehr Gründe, uns Kitano gewogen zu halten«, sagte Shigeru. »Wir müssen auch damit anfangen, unser Heer und die Ausrüstung zu verstärken, sobald ich zurück in Hagi bin.«
Die Bewohner der Stadt Chigawa waren erstaunt und erfreut über die unerwartete Ankunft des Clanerben. Wie die Dörfler hatten sie gefürchtet, dass sie vergessen worden seien und sich bald unter der Herrschaft der Tohan befinden würden. Shigeru und seine Begleiter wurden freudig begrüÃt und in das gröÃte Gasthaus eingeladen. Boten machten sich auf den Weg nach Tsuwano. Irie und Kiyoshige warteten in der Stadt auf Kitanos Antwort und Haradas Rückkehr mit Verstärkung. Sie sorgten dafür, dass Unterkünfte und Proviant für so viele Männer und Pferde bereitgestellt wurden, und zwei Tage später brach Shigeru mit seinen Männern nach Süden auf, wo er mit eigenen Augen sehen wollte, wie die
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