Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Tohan mit seinen Leuten dort umgingen.
Mehrere junge Männer aus der Stadt begleiteten ihn, sie wollten ihm unbedingt als Führer behilflich sein. Shigeru vermutete, dass sie auf ein Gefecht mit den verhassten Tohan hofften. Sie waren typische Menschen des Ostens, klein und drahtig, energisch und hitzköpfig. Neben Waffen brachten sie Seile, Laternen und eine Kohlenpfanne mit, um Dochte anzuzünden. Shigeru fragte sich warum, aber während sie nach Süden ritten, begann er zu verstehen: Südlich von Chigawa dehnte sich die Kalkstein-Hochebene von Yaegahara wie ein ausgestreckter Zeigefinger bis zur Grenze. Die StraÃe führte ins Landesinnere und das Tal schien bis Inuyama offen dazuliegen.
»Dieses Gebiet sollten wir unbedingt gut bewachen«, sagte Shigeru. »Es ist ein Tor zum Mittleren Land.«
»Das Land hier ist tückisch«, sagte der älteste seiner Führer, ein Mann von etwa neunzehn oder zwanzig namens Komori. »Wer den Weg nicht kennt, kommt leicht vom Pfad ab und fällt in eine der Höhlen. Viele Leute verschwinden und finden nie den Weg hinaus. Aber um an die Grenze zu gelangen, sollten wir dennoch hier entlangreiten, wenn Lord Otori unserer Führung vertraut.«
»Komori kennt dieses Land von oben und unten«, sagte einer der anderen. »Wir nennen ihn den âºUntergrundkaiserâ¹.«
Komori grinste und zeigte auf die Seile an seinem Sattelbogen. »Und das sind die Juwelen des Kaisers. Man kann sie in jedem Laden in Chigawa für ein paar Münzen kaufen, aber unter der Erde sind sie mehr wert als alle Schätze der Hauptstadt.«
Sie verlieÃen die StraÃe und ritten nach Osten durch das hohe Sommergras, aus dem gelbe Gänseblümchen, kleine violette Orchideen, Günsel und weiÃe Schafgarbe leuchteten. Das Gras mit seinen Samenköpfen bildete zarte, schaumige Quasten. Blaue und gelbe Schmetterlinge umflatterten die Pferdehufe. Spuren von Füchsen, Hirschen und Wildschweinen durchzogen kreuzweise die Ebene. Nur wenige Bäume standen da â gelegentlich wuchs eine Gruppe Erlen um eine Vertiefung, in der sich Wasser angesammelt hatte, und Büsche klammerten sich an die Seiten tiefer Höhlen und verdeckten oft völlig deren Ãffnung. Shigeru sah, wie leicht man den Pfad verfehlen und in einen dieser natürlichen Kerker fallenkonnte. Niemand wusste dann, wo man war, und auf Rettung war nicht zu hoffen.
Sie waren etwa drei Stunden geritten und dabei zahlreichen tiefen Löchern ausgewichen, deren Namen Komori Shigeru jeweils nannte â Höllenschlund, Wolfsgrube, Hexenkessel, Namen, die von Menschen zu ihrer Beschreibung erfunden worden waren, doch Shigeru fand, dass keine menschliche Bezeichnung der Drohung dieser dunklen Abgründe gerecht wurde, die plötzlich und unerwartet in der friedlichen Sommerlandschaft klafften.
Milane riefen über ihnen und einmal sahen sie in der Ferne Adler in der warmen Luft kreisen. Gelegentlich schreckte ein Hase bei ihrem Näherkommen auf und hüpfte mit schreckgeweiteten Augen in groÃen, verzweifelten Sprüngen davon. Es gab auch zahlreiche Fasane und Rebhühner in ihrem glänzenden Sommergefieder.
»Das wäre ein gutes Gelände für die Beizjagd«, bemerkte Shigeru.
»Sie brauchen Ihre Augen für den Boden, nicht für die Lüfte«, antwortete Komori. »Nur wenige Menschen kommen dieses Wegs.«
Den ganzen Morgen sahen sie niemanden, die Ebene wirkte verlassen. Deshalb waren sie überrascht, als sie hinter einem Bergrücken im Tal unter sich eine Gruppe Reiter sahen, die sich um die Ãffnung einer Höhle drängte. Mehrere waren abgestiegen und spähten rufend und gestikulierend über den Rand.
»Tohan!«, rief einer von Shigerus Begleitern, und Komori sagte: »Ah! Jemand ist ins Lager des Ungeheuers gefallen.«
Die Männer um ihn schrien triumphierend und höhnisch, sie zogen ihre Schwerter, während sie gespannt auf Shigerus Befehle warteten.
»Reitet langsam voran«, sagte er. »Es ist nicht nötig, sie anzugreifen, auÃer sie attackieren uns. Und ihr, haltet eure Bogen bereit, um unsere Ankunft zu decken.«
Die Bogenschützen ritten sofort voraus. Die Tohan bemerkten die näher kommenden Otori und ihre Verwirrung nahm zu. Sie sahen, dass sie zahlenmäÃig unterlegen und hoffnungslos im Nachteil waren. Drei Unberittene sprangen sofort über den Rand in die Höhle,
Weitere Kostenlose Bücher