Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Tapferkeit von Tomasu und Nesutoro, dem wilden, befriedigenden Gefecht mit den Tohan; von Iida Sadamu; von seiner Enttäuschung und Wut über die Reaktion seines Vaters; von seinem Misstrauen gegenüber seinen Onkeln. Er wusste, dass er vorsichtig sein und niemandem vertrauen sollte, doch er konnte nicht anders. Er öffnete ihr sein Herz wie keinem anderen Menschen zuvor und fand ihren Geist so empfänglich und aufnahmebereit wie ihren Körper.
Er wusste, ihm drohte genau die Gefahr, vor der sein Vater ihn gewarnt hatte â in Akane vernarrt zu sein. Du wirst dich nicht in sie verlieben, hatte sein Vater zu ihm gesagt. Doch wie konnte er das vermeiden, wenn sie ihn so völlig entzückte? Um Mitternacht schien es unmöglich, doch als er im Morgengrauen wieder erwachte, dachte er erneut an die Worte seines Vaters und gab sich groÃe Mühe, von der Grube zurückzuweichen, die so gefährlich und ausweglos war wie das Lager des Ungeheuers. Er sagte sich, dass sie nicht schön sei, dass sie eine Prostituierte sei, dass er ihr nie trauen könne; nie würde sie seine Kinder tragen, sie war nur dazu da, ihm Vergnügen zu bereiten. Undenkbar sei es, sich in solche Frauen zu verlieben: Er würde nicht die Schwäche seines Vaters zeigen.
Sie öffnete die Augen, sah, dass er wach war, und zog ihn an sich. Sein Körper reagierte und er schrie wieder auf im Moment der Erleichterung, doch hinterher verhielt er sich kühl, wies sie an, nach der ersten Mahlzeit zu gehen, und sagte nicht, dass sie wiederkommen solle oder welche künftigen Vereinbarungen getroffen werden könnten.
Den Rest des Tages verbrachte er in einem gewissen Gefühlschaos, wünschte, sie sei noch bei ihm, hoffte, sie nicht verletzt zu haben, wünschte sich, sie wiederzusehen, und fürchtete zugleich, ihr in die Falle zu gehen. Am liebsten wäre er wieder in Chigawa gewesen â die Auseinandersetzung mit den Tohan kam ihm einfach und unkompliziert vor.
Akane schickte nach ihrer Sänfte und ging mit so viel Würde, wie sie nur aufbringen konnte, doch sie war gekränkt und verwirrt durch seine plötzliche Kälte.
»Letzten Endes mag er mich gar nicht«, sagte sie zu Haruna. »Zuerst schien er mich sehr gernzuhaben, er redete sogar mit mir, als ob er in seinem ganzen Leben noch nie so mit einer Frau geredet hätte, doch heute Morgen hat er mich weggeschickt.« Sie runzelte die Stirn. »Es war beinah beleidigend«, fügte sie hinzu. »Ich werde es nicht vergessen.«
»Natürlich hat er dich gern«, sagte Haruna. »Kein Mann unter der Sonne würde dich nicht gernhaben. Aber er ist der Clanerbe, er wird sich nicht in dich verlieben. Erwarte das nicht von ihm. Er ist kein zweiter Hayato.«
Doch Akane vermisste Hayato immer noch. Sie genoss es, wenn Männer in sie verliebt waren. Dass Lord Shigeru sich für sie interessierte, hatte ihr geschmeichelt, und sie fand ihn sehr angenehm. Sie wollte wieder mit ihm zusammen sein, sie wollte, dass er sie liebte.
»Ich rechne nicht damit, noch einmal von ihm zu hören«, sagte sie. »Jeder weiÃ, dass ich die Nacht im Schloss verbracht habe â und warum. Es ist so erniedrigend! Kannst du nicht verbreiten, ich hätte ihn verschmäht?«
»Ich gebe ihm drei Tage«, entgegnete Haruna.
Akane war die nächsten Tage sehr schlecht gelaunt, stritt mit Haruna und war gehässig gegenüber den anderen Mädchen. Es war immer noch sehr heiàâ sie wäre gern zum Garten beim Vulkan spaziert, aber sie wollte nicht in die Sonne gehen. Der Betrieb im Freudenhaus um sie herum ging Tag und Nacht weiter, weckte manchmal ihre Begierde und manchmal ihre Verachtung für die unstillbare männliche Lust. Am Abend des dritten Tages ging sie nach Sonnenuntergang zum Schrein, um die Blumen und Sträucher zu sehen, die der alte Priester gepflanzt hatte. Eine exotische gelbe Blume, deren Namen sie nicht kannte, verströmte einen schweren süÃen Duft und groÃe Lilien schimmerten weià in der Dämmerung. Der Alte goss die Pflanzen aus einem Holzeimer, den Saum seines Gewands hatte er in die Schärpe gesteckt.
»Was ist los mit dir, Akane? Den ganzen Sommer bist du allein gewesen! Erzähl mir nicht, dass du dir Männer abgewöhnt hast!«
»Wenn ich nur einen Funken Verstand hätte, würde ich das machen«, gab sie zurück.
»Du brauchst eins meiner
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