Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Zeit nachdem das Haus unter den Kiefern fertig war, um die Mitte des elften Monats, als die ersten Fröste die Reisstoppeln zu versilbern begannen, verkündete Lady Otori Shigeru, dass sie beabsichtige, ins Schloss zu ziehen.
»Warum?«, fragte er erstaunt, denn sie hatte häufig gesagt, wie sehr sie die Wärme und Annehmlichkeiten ihres Hauses gegenüber dem Schloss im Winter vorziehe.
»Ich halte es für meine Pflicht, meinen Platz dort einzunehmen und mich um Takeshi und dich zu kümmern, besonders, da du verheiratet werden musst.«
»Ich muss verheiratet werden?« Er hatte natürlich gewusst, dass dies früher oder später geschehen werde, aber von irgendwelchen festen Abmachungen hatte man ihm nichts erzählt.
»Nun, nicht sofort, aber nächstes Jahr wirst du siebzehn und es gibt eine sehr passende junge Frau. Ich habe das mit Ichiro besprochen und mit Lord Irie. Sie haben das Thema mit deinem Vater diskutiert und er neigt dazu, der Verbindung zuzustimmen.«
»Ich hoffe, sie ist eine Otori«, sagte er. »Ich möchte nicht, dass meine Frau unter den Tohan ausgesucht wird.«
Er hatte leichthin, fast scherzend gesprochen. Dennoch schürzte seine Mutter die Lippen und schaute zur Seite. Dann sagte sie mit gesenkter Stimme:
»Natürlich ist sie eine Otori â aus einer unserer ältesten Familien. Und sie ist mit mir verwandt: Ihr Vater ist ein entfernter Cousin. Ich bin deiner Meinung, die Tohan haben kein Recht zu entscheiden, wen du heiraten wirst â¦Â«
»Sicher sind alle damit einverstanden?«
»Ich fürchte, deine Onkel sind der Meinung, eine politische Heirat könne weitere Schwierigkeiten mit den Tohan verhüten. Anscheinend haben die Iida bereits ein Mädchen im Sinn.«
»Auf keinen Fall!«, entgegnete Shigeru. »Ich heirate niemanden von den Tohan, vor allem keine, die von Iida ausgewählt wurde.«
»Lord Irie wusste, dass du so reagieren würdest. Natürlich muss ich die Wünsche meines ältesten Sohnes und meines Ehemanns befolgen. Aber um Missverständnisse zu vermeiden, könnte die Verlobung stattfinden, bevor die Iida eine förmliche Bitte äuÃern. So wird es nicht so aussehen, als habe man sie abgewiesen und gekränkt.«
»Wenn du das wünschst, werde ich dir und meinem Vater gehorchen«, erwiderte Shigeru.
»Deine Mutter ist eifersüchtig auf mich«, rief Akane, als Shigeru ihr von diesem Gespräch erzählte.
»Eifersüchtig auf dich? Sie hat dich noch nicht einmal erwähnt!«
»Sie fürchtet meinen Einfluss auf dich. Sie zieht ins Schloss, um dort ihren Einfluss geltend zu machen, damit sie die Wahl deiner Frau und nach deiner Heirat die Frau selbst beeinflussen kann. Ãbrigens, wer wird das sein?«
»Sie ist eine entfernte Verwandte. Ich habe vergessen, nach ihrem Namen zu fragen.«
»Ich nehme an, du wirst dich immer so gleichgültig verhalten«, sagte Akane. »Die Frauen deiner Klasse haben wahrhaftig ein elendes Leben.«
»Bestimmt werde ich sie respektieren und natürlich werden wir Kinder haben.« Es war eine kalte Nacht und Akane hatte den Reiswein anwärmen lassen. Jetzt rief sie nach einem weiteren Krug und füllte seine Schale; er füllte daraufhin ihre und sie stürzte den Wein auf einmal hinunter.
»Hat dich etwas verstimmt?«, fragte er, als er ihre Schale erneut füllte.
»Was wird aus mir, wenn du verheiratet bist?«
»Ich stelle mir vor, dass unser Verhältnis weitergeht.« Er lächelte ihr zu. »Wenn du das willst natürlich. Wenn nicht, gehört dir dieses Haus, solange du diskret bist.«
»Diskret? Was heiÃt das?«
»Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass ein anderer Mann hier ist«, gestand er, selbst überrascht von dem jähen Schmerz, den der Gedanke in ihm auslöste.
»Du siehst, niemand ist vor Eifersucht geschützt, noch nicht einmal Krieger!«, sagte Akane triumphierend. »Inzwischen bin ich dir offenbar wichtig!«
»Ich denke, das weiÃt du«, antwortete er. »Und bin ich dir so wichtig, dass du auf meine Frau eifersüchtig bist?«
»Mach keine Witze über Eifersucht!« Sie trank wieder. »Ich habe Frauen gesehen, die verrückt geworden sind vor Eifersucht, weil die Männer, in die sie sich verliebt hatten, sich so gleichgültig verhielten. Liebesaffären sind für Männer nur eine
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