Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Frauen einander.
»Ein Haus!«, rief Haruna. »Und speziell für dich vom besten Zimmermann in Hagi erbaut!«
»Ich werde es so schön haben!« Jetzt stellte sich Akane das Haus unter den Kiefern vor, vom ständigen Seufzen des Meeres umgeben. »Morgen früh werde ich als Erstes Shiro treffen. Er muss mir den Platz zeigen â oder wirkt das zu eifrig?«
»Es besteht kein Grund zur Eile«, sagte Haruna. »Du kannst dir Zeit lassen.«
Der Bau des Hauses wurde durch die ersten Taifune am Ende des Sommers verzögert, doch im Windschatten der Gebirgskette war es geschützt und wurde nichtbeschädigt. Eine Woche lang regnete es stark und Regenschirme ersetzten den Sonnenschutz, wenn Akane dreimal in der Woche das Schloss besuchte. Als ihre Beziehung zum Clanerbe fortschritt, wurde sie extravaganter, und Menschen säumten die StraÃen, um ihre Sänfte vorbeiziehen zu sehen, als wäre das Teil eines Festes.
Als die Nächte kühler wurden und die Ahornbäume ihr rotes Gewand anlegten, war das Haus vollendet. Es war nach Süden ausgerichtet, um die Wintersonne zu fangen, mit Binsenstängeln gedeckt und hatte breite Dachvorsprünge und tiefe Veranden aus poliertem Zypressenholz. Die Wandschirme waren von einem Künstler geschmückt worden, der lange zu Harunas Kunden gehört hatte â auch Akane hatte mehrfach mit ihm geschlafen, doch keiner von beiden erwähnte die Vergangenheit. Auf Akanes Wunsch malte er Blumen und Vögel, den Jahreszeiten entsprechend. Sie wählte schöne Schalen und Teller im örtlichen Steingutladen aus, die von den berühmtesten Handwerkern hergestellt waren, auÃerdem Matratzen und Decken, mit Seide gefüllt, und geschnitzte hölzerne Kopfstützen.
Als das Haus fertig eingerichtet war, lieà sie es durch eine Zeremonie reinigen und segnen. Priester kamen vom Schrein und führten die Rituale aus, sprühten Wasser und verbrannten Weihrauch. Nachdem sie gegangen waren horchte sie spät in der Nacht, während sie neben Shigeru lag, auf das Meer und staunte über das, was das Schicksal ihr geschenkt hatte und was aus ihrem Leben geworden war.
KAPITEL 19Â
Shigeru kam jetzt täglich zur Zeit der Dämmerung vom Schloss herüber. Sie aÃen und redeten oder spielten Go, das Brettspiel, das Shigeru als Kind gelernt hatte und jetzt entsprechend gut beherrschte; er brachte es Akane bei, sie begriff das Spiel rasch und bald liebte sie seine knifflige und unnachgiebige Besonderheit. Nachdem sie sich geliebt hatten, kehrte Shigeru meistens in seine eigenen Gemächer zurück. Gelegentlich blieb er die ganze Nacht bei ihr. Das geschah selten, denn dann war nach seinem Gefühl die Gefahr am gröÃten, sich in sie zu verlieben: wenn er ganz hingegeben in ihren Armen einschlief und in der Nacht oder am frühen Morgen aufwachte und sie erneut liebte.
Wenn er die ganze Nacht geblieben war, ging er meist für mehrere Tage fort. Es gab immer Angelegenheiten zu erledigen: Er wollte die Grenzen im Auge behalten, zusammen mit Kitano Tadao Tsuwano besuchen, um die Loyalität der Kitanofamilie zu verstärken, die Ernte auf dem Gut seiner Mutter jenseits des Flusses beaufsichtigen und sich zugleich um die alltäglichen Geschäfte des Clans kümmern. In dieser Zeit versuchte er, nicht an Akane zu denken, doch er wollte auch mit keiner anderen schlafen, und wenn er zurückkam, klopfte sein Herz mit der gleichen Erregung wie in ihrer ersten Nacht.
Häufig suchte er seine Mutter in ihrem Haus am Fluss auf und erzählte ihr, wie er die Felder und Wälder bestellen lieÃ, die ihr gehörten. Sie kam aus einer hochrangigen Familie. Ihre Brüder waren innerhalb von Monaten gestorben und hatten keine Kinder hinterlassen, ihre Ländereien waren an die Schwester übergegangen, die sie für ihre Söhne verwaltete. Zum Schlossbesitz gehörten noch viele andere Ländereien, doch dieses Gut war Shigeru besonders lieb â es schien ihm persönlich zu gehören und hier konnte er alles in die Praxis umsetzen, was er aus Eijiros Schriften gelernt hatte, die er immer griffbereit hielt. Seine Mutter sagte nichts über sein Verhältnis mit Akane, obwohl es ihr kaum entgangen sein konnte â Akane hatte dafür gesorgt, dass die ganze Stadt Bescheid wusste über ihren neuen gehobenen Stand mit all der Ehre und dem Prestige, die dazugehörten. Doch einige
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