Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Ablenkung; für Frauen bedeuten sie das ganze Leben.«
»Hast du dich je verliebt, Akane?«
»Nein, und ich habe es auch nicht vor!« Sie sah ganz kurz Enttäuschung in seinem Gesicht. Wir sind alle gleich, dachte sie. Wir wollen geliebt werden, aber uns nicht selbst verlieben.
»Und was war mit dem Mann, der Hayato heiÃt?«
»Hayato war sehr gut zu mir, als mein Vater starb.«
»Man sagt, seine Liebe zu dir habe ihn wahnsinnig gemacht.«
»Der arme Hayato«, sagte Akane. »Wenn ich dir damals nicht aufgefallen wäre, würde ich jetzt mit ihm leben.«
Der Wein lieà sie so ehrlich reden, doch als sie sah, dass sie ihn verärgert hatte, bedauerte sie, so viel gesagt zu haben.
»Es ist besser, wenn keiner von uns sich verliebt«,sagte Shigeru, und die Kälte, die sie fürchtete, war wieder da.
»Shigeru, du bist jung, verzeih mir, dass ich das sage. Ich bin älter als du â drei Jahre älter. Ich schlage vor, wir schlieÃen einen Pakt. Wir werden uns nicht verlieben, aber wir werden versuchen, dem anderen keinen Grund zur Eifersucht zu geben. Du musst heiraten, du musst Kinder haben. Du musst deine Frau ehren. Aber ich habe jetzt auch gewisse Ansprüche an dich, und ich erwarte, dass du sie respektierst.«
Er war von ihrem Ernst überrascht und stellte fest, wie sehr er sie bewunderte. Das Lampenlicht betonte ihre Wangenknochen. Etwas an ihrem starken Gesicht erinnerte ihn an die Frau von den Verborgenen, die mit ihm geredet hatte, als wäre sie ihm gleichgestellt.
Er wusste kaum, was eine Ehe ausmachte: Seine eigenen Eltern führten getrennte Leben und mit den Frauen seiner Onkel, die mit ihrem Gefolge und ihrer Dienerschaft tief im Schlossinneren wohnten, hatte er kaum je gesprochen. Er überlegte weiter und erinnerte sich plötzlich an Otori Eijiro und seine Frau: Zwischen ihnen hatten Zuneigung und Respekt geherrscht, und die Frau und ihre Töchter hatten sich frei bewegt und waren mit den Männern gleichberechtigt. Es ist der Einfluss der Maruyama , hatte Eijiro gesagt und ihm dann von Lady Naomi erzählt â¦
»Woran denkst du?« Akane war von seinem langen Schweigen überrascht.
»An die Ehe, an das, was dann mit Männern und Frauen geschieht, an Maruyama, wo Frauen angeblich gröÃere Freiheit haben.«
»Maruyama wird das Schicksal aller anderen groÃen Domänen teilen«, sagte Akane. »Und Naomi wird die letzte weibliche Herrscherin des Clans sein.«
»Du weiÃt von ihr?«
»Ich höre zu, wenn Männer reden, und so reden sie: Ihr Mann hat enge Verbindungen zu den Tohan und die hassen den Gedanken, dass eine Frau erben soll.«
»Und hassen die Seishuu umgekehrt die Tohan? Genug, um ein Bündnis mit den Otori einzugehen? Was hörst du darüber?«
Zum ersten Mal kam ihm dieser Gedanke: ein Bündnis mit den Seishuu â wenn eine Heirat das sichern konnte, würde er zustimmen.
»Männer klatschen bei Haruna über alles Mögliche«, sagte Akane. »Aber die halbe Zeit wissen sie nicht, wovon sie reden. Die meisten sind nie aus dem Mittleren Land herausgekommen.«
Shigeru dachte laut. »Wir sollten eine Gesandtschaft nach Maruyama schicken oder zu den Arai in Kumamoto. Um herauszufinden, was sie wirklich davon halten.«
Akane wollte nicht über Politik reden. Sie rief leise nach den Dienerinnen, und als sie kamen, um das Geschirr abzuräumen, bat sie sie, die Betten auszubreiten. Shigeru war so leidenschaftlich und zugewandt wie üblich, aber er blieb nicht bei ihr, sondern sagte, er müsse einiges mit Lord Irie besprechen. Nachdem er sich verabschiedet hatte, ging Akane wieder ins Bett. Es war noch kälter geworden, der Wind vom Meer ratterte an den Läden und fuhr stöhnend durch jede Ritze in den Wänden. Sie wünschte, sie hätte einen Mann neben sich,der sie wärmte, dachte mit einigem Bedauern an Hayato und dann mit einer Besorgnis, die ihr sonst fremd war, an ihre Zukunft. Männer verliebten sich in ihre Frauen; das war nicht ungewöhnlich, und die Frau im Haus hatte viele Vorzüge gegenüber der Frau der Freuden. Sie hatte Shigeru gesagt, sie habe gewisse Ansprüche an ihn, aber in Wirklichkeit hatte sie keine: Seine Frau würde seine Kinder haben, die er mit seiner ganzen Warmherzigkeit lieben würde, und bestimmt würde das dazu führen, dass er auch ihre Mutter liebte. Den
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