Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
ihr klar, dass sie davon nichts als Leiden zu erwarten hatte. Ihr Körper, der so abweisend war, hatte sie im Stich gelassen: Sie wusste, dass sie als Ehefrau versagte. Shigerus Mutter, Lady Otori, tyrannisierte sie und kommandierte sie herum. Die anderen Frauen im Schloss behandelten sie mit einer eisigen Höflichkeit, die ihre Verachtung kaum überdeckte.
Und er, ihr Ehemann, von dem sie sich vorgestellt hatte, sie würde ihn respektieren und ihm Freude machen wollen, musste sie ebenfalls verachten. Alle wussten, dass er eine Konkubine hatte â das schockierte sie nicht, es war unter Männern seiner Klasse üblich, aber die Frauen aus dem Schloss sprachen viel von Akane, von ihrem Charme und Witz, und sie flüsterten untereinander, Shigeru sei völlig vernarrt in sie.
Wenn Shigeru so unerfahren gewesen wäre wie sie, dann hätten sie einander vielleicht Mut gemacht; wenn er älter gewesen wäre, hätte er sie möglicherweise geduldiger und zurückhaltender behandelt. Aber er war verstrickt in seine erste Affäre als Erwachsener, die ihm bereits eine ebenso tiefe körperliche Befriedigung wie emotionale Freude verschaffte. Moes Widerstreben und ihre Frigidität stieÃen ihn ab; er brachte es nicht übersich zu fordern, was ihr so unverkennbar widerwärtig war. SchlieÃlich wurde er wütend auf sie: Er wusste, dass er um des Clans willen für Erben sorgen musste, er wollte sie nicht kränken und ihre Familie nicht beleidigen, ihm fiel nichts ein, um das Problem zu lösen, und er wollte es mit niemandem auÃer Akane besprechen. Und Akane sagte immer das Gleiche: »Sei geduldig«, wobei sie die ganze Zeit geheimnisvoll lächelte.
Moe wiederum wurde wütend auf Shigeru. Sobald sie von Akane erfahren hatte, gab sie der Konkubine die Schuld für das Misslingen ihrer Ehe. Ihr Stolz war tief verletzt. SchlieÃlich verabscheute sie beide, ihren Mann und die Frau, die er ihrer Meinung nach liebte.
Das Ende der Regenzeit brachte eine gewisse Erleichterung, denn Shigeru konnte ins Grenzland zurückkehren, wo er den Sommer mit Kiyoshige und Takeshi verbrachte. Sie nahmen Miyoshi Kahei mit. Wie Takeshi war er erst dreizehn, doch die Lage schien nicht bedrohlich und sein Vater wollte, dass er Erfahrungen sammelte. Kitano Tadao durfte nach Tsuwano zurückkehren. Die Bedrohung durch die Tohan schien etwas nachgelassen zu haben. An den Grenzen war es ruhig, abgesehen vom üblichen Kommen und Gehen der Händler auf der HauptstraÃe nach Inuyama. Sie brachten Neuigkeiten aus der Tohanhauptstadt â vor allem vom Tod Iida Sadayoshis und dem folgenden Aufstieg Sadamus zum Führer des Clans. Kiyoshige und Shigeru unterhielten die Jungen mit der Geschichte von Sadamus unglücklichem Unfall. Sie hätten nicht so schallend gelacht, wenn sie gewusst hätten, wie viele Tohanspione in Chigawa jede Bewegung von Shigeru beobachteten und nach Inuyama berichteten.
Akane fand die langen, heiÃen Tage unerträglich langweilig, aber sie war nicht allzu traurig über Shigerus Abwesenheit. Wenn er nicht bei ihr war, dann war er auch nicht bei seiner Frau, und ihr blieb ein wenig Raum, ihre Gefühle wieder zu beherrschen. Sie verhielt sich diskret, besuchte ihre Mutter, die Tempel in Daishoin und Tokoji, wo sie immer groÃzügige Spenden machte, und verschiedene Händler, bei denen sie luxuriöse Dinge bestellte: Parfüms, Tees, Lackwaren, neue Gewänder für Herbst und Winter.
Zu Haruna ging sie nicht, doch sie suchte häufig den Garten beim Vulkan auf: Sie war nicht wenig beeindruckt von dem, was die Amulette des Alten erreicht hatten. Ihm bekam die Hitze nicht, und sie sorgte dafür, dass er Medikamente erhielt, kühlende Tees und Kräuter zur Blutreinigung, und sie wies ihre Gärtner an, ihm beim GieÃen seiner Pflanzen zu helfen, während sie ihm Gesellschaft leistete. Eines Tages kehrte sie durch den Garten zu ihrer Sänfte zurück. Bald jährte sich ihre erste Nacht mit Shigeru und sie dachte mit gemischten Gefühlen daran, während sie an der Hecke vorbeikam, die an den hinteren Garten von Harunas Haus grenzte. Sie ging schneller, weil sie von niemandem dort gesehen werden wollte, doch vom Eingang her hörte sie Schritte. Ihr früherer Liebhaber Hayato rief: »Akane! Akane!« Er rannte durch das Tor. Sie musste stehen bleiben, sonst wäre sie mit ihm zusammengestoÃen. Einen Augenblick
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