Der Clan der Wildkatzen
größte Katze der Welt mitten unter ihnen.
» Beachtet es gar nicht«, schrie Datura, der bemerkte, dass viele Unbezähmbare die Ohren angelegt hatten und sich flach auf den Boden drückten. » Das ist nur Donner, mehr nicht! Seid ihr Unbezähmbare oder Angsthasen? Hoch mit euch!«
Die Luft vor seinen Schnurrhaaren schimmerte eigenartig und teilte sich wie ein schwerer Vorhang. Datura riss die Augen auf. Im nächsten Moment quiekte der weiße Kater voller Panik und rannte davon.
Wie aus dem Nichts war ein riesiger Tiger aufgetaucht. Er schritt den Pfad entlang und brüllte Datura ins Gesicht. Ozzys schwarze und orangefarbene Streifen schienen im Regen zu glitzern, hellten den grauen Tag auf und verwirrten die Unbezähmbaren und die Katzen von Nizamuddin. Qawwali blieb abrupt stehen und wollte seinen Augen nicht trauen. Aber als Ozzy erneut brüllte, spürte jede Katze das Grollen in den Tiefen ihres Herzens. Schnurrhaare wurden kalt, das Blut gerann.
Beraal war die Erste, die Mara erkannte. Die kleine Katze schwebte neben dem Riesengesicht des Tigers. Kaum eine andere Katze sah das winzige, aber fröhliche Kätzchen dort oben in der Luft fliegen. Nur Beraal hatte keine Schwierigkeiten, ihre Schülerin zu entdecken.
» Haltet die Stellung!«, teilte sie den Nizamuddin-Katzen über das Netz mit, damit die Unbezähmbaren es nicht hörten. » Das ist ein Werk des Senders! Der Tiger wird nur gesendet, er ist nicht echt! Ihr braucht keine Angst zu haben, also verknotet eure Schnurrhaare nicht. Gut gemacht, Mara!«
Die Unbezähmbaren hingegen gerieten in Panik. Als Ozzy– der seinen virtuellen Spaziergang sehr genoss– den Kopf in den Nacken warf, um erneut laut zu brüllen, zeigte er seine langen, gefährlichen Zähne, und die Unbezähmbaren jaulten und jammerten. Vor Schreck krochen sie aus ihren geschützten Verstecken hervor– und die Milane sahen ihre Chance gekommen.
» Schlachtformation!«, rief Tooth und tauchte aus den Wolken auf. Die beiden anderen Milane, Claw und Talon, ritten mit ihm auf der Thermik und griffen die Unbezähmbaren erbittert an. Hulo gaben sie dadurch die Gelegenheit, sich unter einem Rudel Gegner freizukämpfen, und Katar konnte vom Schlachtfeld davonhumpeln, während er gebannt den Tiger anstarrte. Beraal spuckte sich auf die Pfoten, um die Blutung zu stillen, und erhob sich wankend, als die Unbezähmbaren vom Baum flohen und auf das offene Gelände rannten, wo die Milane sich über sie hermachten.
Qawwali beobachtete den Tiger nervös, der den gigantischen Kopf in den Nacken gelegt hatte und dessen große gelbe Augen hell funkelten. Dann schickte er dem Sender über das Netz einen Gruß und zuckte mit den Ohren. » Für Nizamuddin und die Katzen!«, jaulte er und hob den flauschigen Schwanz wie ein Banner in die Höhe.
» Für die Katzen!«, miauten die Nizamuddin-Katzen, die Seite an Seite mit Hulo und Katar auf dem Boden gekämpft hatten.
Hulo jagte Ratsbane durch die Büsche, bis er ihn vor einem Baum in die Enge getrieben hatte. » Wehr dich und kämpfe!«, sagte er.
Ratsbane wälzte sich im Schlamm und flehte um Gnade, und ungeachtet dessen, was er Miao angetan hatte, hätte Hulo ihn vielleicht laufen lassen. Doch als er dem Unbezähmbaren den Rücken zuwandte, warf sich Ratsbane auf den Kater und versuchte, ihm ins Genick zu beißen. Der schwarze Kater schüttelte die andere Katze leicht ab. Er jaulte wild und tödlich, bevor seine Krallen Ratsbane die Kehle aufschlitzten. Das Blut sickerte zwischen den Baumwurzeln in die Erde.
Aconite schlich durchs Gras und hoffte, unbemerkt davonzukommen. Die graue Katze mit den goldenen Augen hatte nicht vor, ihr Fell zu riskieren. Sie hatte eine enorme Abneigung dagegen, ihr eigenes Blut fließen zu sehen, so sehr es ihr auch gefiel, das Blut kleinerer Wesen zu vergießen. Deshalb behielt sie Katar im Auge. Der Kater wirkte zwar nicht so furchterregend wie Hulo oder Datura, aber er hatte ein gutes Dutzend Unbezähmbare erledigt, wenn sie richtig gezählt hatte. Als sie unten an der Mauer ankam, dachte sie an all die Beute, die auf der anderen Seite wartete– die fetten Mäuse und die trägen Vögel–, und ihr lief das Wasser im Maul zusammen. » Wie dumm von ihnen, dass keiner die Mauer bewacht«, sagte sie vor sich hin und beäugte die Wilden Katzen, die sich nun für den Kampf nahe am Verrammelten Haus und am Stufenbrunnen versammelten.
Sie hatte keinen Schatten sehen können– dazu war die Sonne zu schwach und es regnete
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