Der Clan der Wildkatzen
Nimm die Pfote von ihrem Gesicht«, hörte er Ratsbane von der Hecke her sagen, und Katars Blut erstarrte.
Miao brüllte. Einmal, zweimal und ein drittes Mal, ehe ihre Stimme abrupt abgeschnitten wurde.
» Nein!« Katar miaute wie ein Kätzchen. Er spürte, wie Daturas neugieriger Blick auf ihm lag. Die weiße Katze weidete sich ausgiebig an seiner Trauer und seiner Angst. » Beraal!«, rief er. » Hulo! Zu Miao!«
» Wir können nicht!«, knurrte Hulo. » Sonst sind sie über die Mauer.«
Katar wurde unaufmerksam, was das Kampfgetümmel anging, und das sahen die Unbezähmbaren sofort. Ehe der Kater die Fassung wiedererlangt hatte, stürzten sich zwei Katzen auf ihn und drückten ihn zu Boden.
Hulo ging erneut in einem Meer von Katzen unter und diesmal tauchte der Kater nicht wieder auf.
Beraal jaulte verzweifelt. Hoch über dem Verrammelten Haus zog Tooth niedergeschlagen seine Kreise und stieß einen Schlachtruf aus, in der Hoffnung, die Unbezähmbaren aus dem Gebüsch zu locken, damit er sie angreifen konnte und nicht länger Schatten jagen musste.
Datura ließ sich von seinem Ast zu Boden fallen. » Ich hoffe, der Rest von denen ist genauso gut«, sagte er zu Ratsbane. » Es macht doch mehr Spaß, wenn sie sich wehren. Sollen wir sie alle gleichzeitig töten?«
Ratsbane ließ schuldbewusst die Schnurrhaare sinken.
» Du hast deine schon getötet?«, fragte Datura und betrachtete Miaos schlaffen Körper. » Wie schade. Dann nehmen wir uns jetzt den Rest vor, ja?«
Ein winziger brauner Schatten sauste heran und flog über seine Pfote. Der weiße Kater spürte einen scharfen Schmerz.
» Was war das– au!« Seine Pfote wurde angegriffen und er wich eilig zurück. Die braune Maus, die ihre Zähne in Daturas Pfote gebohrt hatte, war nirgends mehr zu sehen, doch der Kater musste sich schnell wieder nach vorn bewegen, da hinter ihm eine Feuerameisenstraße den Weg versperrte.
» Hier. Nicht. Entlang«, sagten die leisen Stimmen.
Datura starrte sie widerwillig an und hätte am liebsten auf ihre Straße gehauen, doch sein Instinkt riet ihm davon ab.
» Das letzte Aufgebot von Nizamuddin«, sagte er und entdeckte die wütenden schwarzen Augen der Maus. Lachend gingen seine Schnurrhaare hoch. Ratsbane fiel ein.
» Ihre tapfersten Krieger krabbeln also über den Boden«, sagte Ratsbane. » Au!« Ein Maina kreischte ihm laut ins Ohr und schlug mit den Krallen auf seinen Kopf ein. Dann hob der Vogel sofort wieder ab und floh außer Reichweite der beiden Katzen.
Das fand Datura sogar noch lustiger.
»He, Krieger«, rief er Katar zu. » Schau dir nur deine Armee an– Ameisen, Mäuse und Vögel. Was für ein glorreiches Heer du unter deinem Befehl hast!«
Die Schreinkatzen beachtete er kaum. Sie waren starke Krieger, aber einfach zu wenige. Mit einem Ohrenzucken hetzte der weiße Kater ein Bataillon Unbezähmbarer gegen sie auf. Er starrte auf Miao herab und sah das blutende Maul. In ihrem ungleichen Kampf gegen Ratsbane und seine Freunde hatte sie Schnurrhaare verloren. Gern hätte er mehr über die Siamkatze gewusst– irgendwie hatte sie ihn doch beeindruckt. Er stellte eine Pfote auf ihren Kadaver– die Katze war noch warm– und wandte sich von ihr ab. Es war Zeit, nach Nizamuddin zu gehen.
» Ratsbane«, rief er, und im nächsten Moment zuckten seine Ohren und richteten sich forschend auf.
Es kam ihm so vor, als würde ein Grollen durch die Luft hallen, das nicht von einem Donner stammte. Das Fell auf seinen Pfoten stellte sich auf, gefolgt von dem auf seinem Rücken. Es war, als wäre er mit Elektrizität in Berührung gekommen. Instinktiv sah der weiße Kater auf, und beim Anblick des offenen Himmels wurde ihm schwindelig – er musste den Blick abwenden, bis die Erde aufhörte, sich zu drehen. Aus der Ferne hörte er wieder das unheimliche Grollen.
Die Unbezähmbaren schauten sich beunruhigt um.
» Genug!«, rief Datura und versuchte, das Kribbeln seiner Schnurrhaare zu ignorieren. Er blickte zu den Dächern hinauf und sah auf mehreren Balkonen und Terrassen Großfüße stehen und in ihre Richtung zeigen. Ganz eindeutig redeten sie über die Katzen. » Es ist Zeit, dass wir ins Viertel weiterziehen. Ratsbane, du gehst voran…«
Was er sonst noch hatte sagen wollen, blieb an den Spitzen seiner Schnurrhaare hängen. Denn in diesem Moment erschütterte ein Rumoren die Erde und der Boden schien zu beben und aufzubrechen. Dann verwandelte es sich in ein tiefes, unverkennbares Brüllen, als wäre die
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