Der Clan der Wildkatzen
Vögel, die Schutz suchten, den Regen, der auf den Flammenbaum prasselte und seine leuchtend grünen Blätter verdunkelte. Das Fell der kleinen Katze stand jetzt nach allen Seiten ab und sie hatte die Nasenflügel weit aufgerissen. Ihre Zähne klapperten, als sie aus dem Fenster starrte. Der Regen trommelte auf die Erde, änderte die Richtung, und Mara knurrte erneut bei dem Geruch, den er mitbrachte: den unverkennbaren Gestank von Blut und den düsteren Geruch der Furcht.
Sie sprang auf das Fenster zu, gerade als ihr Großfuß es schloss. » Nein!«, sagte sie und versuchte, es zu erklären, doch ihr Großfuß packte sie und bemühte sich, sie mit tröstenden Lauten zu beruhigen. Mara wehrte sich, als sie in den Großfußarmen davongetragen wurde. » Lass mich los! Gefahr! Tod! Leid!« Aber als die kleine Katze die verwirrten Augen ihres Großfußes sah, hörte sie auf, sich zu wehren, und ließ zu, davongetragen zu werden. Sie hatte keine Möglichkeit, ihm zu erklären, dass irgendetwas Schreckliches geschah, dass sich wegen der vom Regen überbrachten Neuigkeiten ihr Fell vor Angst sträubte.
Stumm ertrug sie die würdelose Behandlung, mit einer Lebertranpille gefüttert zu werden, und ließ sich danach mit einer Katzenminzemaus trösten. Sie spielte sogar damit, um ihre Großfüße dazu zu bringen, sie in Ruhe zu lassen. Die schauten besorgt zu, aber nachdem sie das Spielzeug ein paarmal hin und her geworfen hatte, schienen sie zu glauben, es sei alles in Ordnung.
In dem Augenblick, in dem sie den Raum verlassen hatten, ließ Mara das Spielzeug fallen. Sie sprang auf die Fensterbank, schloss die grünen Augen und legte den Kopf auf die Pfoten. Der Regen flüsterte weiter Lieder von Blut und Schrecken in ihrem Kopf, doch sie verdrängte ihre Ängste. » Beraal?«, sendete sie zögerlich, aber obwohl sie lange Zeit wartete, erhielt sie keine Antwort.
Mara putzte sich eine der fetten Pfoten und dachte an Southpaw. Das Gesicht des kleinen braunen Katers flimmerte vor ihrem inneren Auge. Sie dachte daran, wie sie im Wohnzimmer Jagen gespielt hatten, wie er sie geschubst hatte, aber auch wie er ihr die Staubknäuel aus dem Fell geputzt hatte, als sie zu weit unter das Bett gekrochen war. Jetzt sagten ihr alle Instinkte, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, dass er und Beraal in Schwierigkeiten steckten.
Das Kätzchen breitete die Schnurrhaare aus und fragte sich, ob Beraal antworten würde. Oft hatte Beraal versucht, nach dem Unterricht mit ihr in Kontakt zu bleiben. Meist hatte Mara abgelehnt, denn sie wollte nicht die Verbitterung hören, mit der sich die anderen Wilden Katzen äußerten, wenn sie über den Sender sprachen.
Der Donner grollte unheimlich. Am Himmel wallten dunkle Wolken, und jedes Mal wenn eine Windböe gegen die Fenster blies, brachte sie den Gestank von Blut und Tod ins Haus des Senders. Mara sah man die Furcht an den Augen an. Sie hatte sich nie viele Gedanken über Beraals Leben im Draußen gemacht, jetzt jedoch fiel ihr einiges wieder ein, was Southpaw ihr über Raubtiere und Großfüße erzählt hatte. Der Blutgeruch im Regen verriet viel über die Risiken, mit denen alle Draußenkatzen lebten– und das galt demnach auch für Beraal.
Die kleine Katze streckte die Schnurrhaare aus und schnupperte in die Luft. Vielleicht sollte ich nach Nizamuddin gehen , dachte sie, und die Idee überraschte sie selbst. Zögerlich ließ Mara die Schnurrhaare hochgehen. Das Senden fiel ihr inzwischen so leicht. Sie blinzelte mit den grünen Augen und schloss sie, als sie sich konzentrierte und in den Park hinaustrat. Sie spürte die vertraute Veränderung in ihrem kleinen Bauch, als sie über die vom Regen dunkel gewordenen Äste der Bäume schwebte. Der Donner grollte nun noch lauter, und Mara sah Eichhörnchen, die zitternd nach Schutz suchten. Aber weder Donner noch Regen machten ihr Sorgen.
Ihre Schnurrhaare strahlten Unsicherheit aus. Dort lag der bekannte Weg zum Zoo. Die andere Richtung führte vermutlich zu den Wilden Katzen. Der Sender wünschte, Beraal wäre hier und würde ihr sagen, was sie tun sollte. Der Regen prasselte auf die Bäume des Parks, und Mara versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Hier im Draußen war der Blutgeruch noch stärker und kam mit den Böen des Windes. Vielleicht sollte sie losgehen und nachschauen, ob es Beraal gut ging. Aber was, wenn es ihr gut ging und der Blutgeruch nur ein Rückstand von den endlosen Jagden der Katzen war? Wenn sie Southpaw träfe und der sie
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