Der Clan der Wildkatzen
langsamer, als sie sich dem Verrammelten Haus näherten, und lauschten vorsichtig mit den Schnurrhaaren, um zu erkunden, wo die anderen Wilden Katzen steckten. Im dichten Unterholz und beim trüben Licht des Regentages konnte man sich mit dem Geruchssinn besser orientieren als mit den Augen.
» Es riecht nach Blut«, sagte Hulo.
» Sie müssen etwas Großes erlegt haben.« Qawwali fragte sich, ob die Unbezähmbaren vielleicht sogar einen Hund oder einen Mungo getötet hatten. Aber sie hatten kein Gebell und keinen der typischen Warnschreie der Mungos gehört.
Die beiden Katzen zogen durch die Wandelröschen und schoben die Äste mit den Vorderpfoten zur Seite. Hulo glaubte, Beraal und Katar vor sich zu wittern, aber er fragte sich, warum die anderen Katzen so still waren– vielleicht wollten sie die Unbezähmbaren nicht warnen.
» Es riecht, als wäre die ganze Hecke mit Blut besudelt«, sagte Qawwali. Der alte Kater bekam es nicht so leicht mit der Angst zu tun, aber er miaute heiser, und seine Schnurrhaare zitterten vor Entrüstung. Die beiden Katzen bogen um eine Ecke und kamen zu einer Lichtung. Hulo blinzelte, während sich seine Augen ans Licht gewöhnten. Und dann sah er, was die Unbezähmbaren angerichtet hatten.
Der Regen ließ nach und ging abrupt in mildes Nieseln über. Maras Großfüße öffneten die Fenster und ließen den kühlen Wind ins Haus ein. Das Kätzchen bewegte sich unruhig. Die Tasthaare über den Augen kribbelten jedes Mal schmerzhaft, wenn sie den Eisengeruch von Blut wahrnahmen. Sie hörte, wie die Eichhörnchen und die Drosslinge sich fragten, ob jemand wisse, was vorgefallen sei.
Sie überlegte, sich erneut ins Netz von Nizamuddin einzuklinken, aber wenn sie Beraal nicht fand, müsste sie mit den anderen Wilden Katzen reden. Mara zuckte bei dem Gedanken zusammen, als ihr die Worte von Southpaw wieder in den Sinn kamen. Sie sei ein Sonderling, hatte er gesagt. Southpaw kannte sie. Die zwei hatten zusammen gespielt, Pfote an Bauch geschlafen und aus der gleichen Schüssel gefressen. Wenn er sie für einen Sonderling hielt, was würden die anderen Wilden Katzen über sie denken?
Sie vermisste Southpaw. Mit Rudra und Tantara hatte sie nie Jag-die-Pfote oder Fang-die-Schnurrhaare spielen können, und obwohl sie sich wünschte, er würde sein Fell besser pflegen, liebte sie es dennoch, ihre Nase in seinen Bauch zu graben und ihn zum Jaulen zu bringen, wenn sie zart in seinen Schwanz biss.
Seine Geschichten über Streifzüge mit Hulo faszinierten sie, selbst wenn sie insgeheim dachte, es sähe lustig aus, wie er den großspurigen Gang des erwachsenen Katers nachahmte. Denn was bedrohlich wirken sollte, sah häufig wie ein peinliches Watscheln aus, was Mara ihm allerdings niemals sagen würde. Fast konnte sie sein nasses Fell riechen, und sie stellte sich vor, dass er das Kratzen verursachte, das von draußen zu hören war, und dass er gleich zum Fenster hereinkam.
Und dann war er da. Southpaw sprang von der Fensterbank. Seine braunen Augen waren angsterfüllt. » Ich habe dich so sehr vermisst!«, miaute Mara erfreut und vergaß den alten Streit. Sie lief zu ihm, hob glücklich den Schwanz und rieb ihre Schnurrhaare an seinem Gesicht. Dabei fühlte sie Regen und Schlamm– und die Angst, die seinen kleinen Körper bibbern ließ. Southpaw zitterte so heftig, dass Mara es schon spürte, ehe sie ihn berührte.
» Was ist los?«, fragte sie. » Geht es Beraal gut? Warum riecht der Regen heute nach Blut?«
Der kleine braune Kater ließ sich sanft auf ein Kissen stupsen und hatte auch nichts dagegen, als Mara begann, ihn zu putzen, wobei sie die raue rosa Zunge als Schwamm benutzte.
» Beraal geht es gut, glaube ich«, sagte er. » Obwohl ich nicht weiß, wie lange sie und die anderen noch in Sicherheit sein werden– oh, Mara, dort draußen ist es grässlich. Die Unbezähmbaren…«
Anstatt seiner Freundin zu erzählen, was geschehen war, benahm sich Southpaw wieder wie ein kleines Kätzchen und schlang seine schwarzen Schnurrhaare fest um Maras weiße. Er zitterte immer noch, während sie seine Reise nachvollzog.
Nachdem Hulo ihn vertrieben hatte, wollte Southpaw eigentlich über den Markt zurück zum Park gehen, doch der Weg, der vom Verrammelten Haus wegführte, war überflutet. Entsetzt sah er auf die Straße und überlegte, wie er sie überqueren könnte. Im Gebüsch neben ihm krabbelte eine Käferfamilie vom schlammigen Wasser fort, das sie zu ertränken drohte.
Die Sonne stand
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