Der Clan der Wildkatzen
versorgt wurden«, sagte Miao. » Als sie fortgingen, setzten sie uns, nett wie sie waren, am Rand des Schreins ab. Wir waren so lange gefüttert worden, dass wir vergessen hatten, wie man jagt. Es war deine Mutter, die uns fand und uns Schutz gab, Qawwali. Du hast also recht. Wir haben vielleicht Angst vor den Unbezähmbaren, aber wir schulden ihnen unsere Gastfreundschaft.«
Qawwali hob erleichtert den Schwanz. » Meine Mutter hat mir immer erzählt, wie alt und ungebrochen die Tradition der Gastfreundschaft in Nizamuddin ist«, sagte er. » Meine Schnurrhaare sind froh, dass wir nicht mit unseren Sitten brechen werden.«
Hulo und Katar hatten die Nackenhaare gesträubt, doch der verlotterte Kater sprach ruhig und brachte so den verlotterten Krieger zum Verstummen. » Du glaubst also, sie lassen sich bei uns nieder, Miao? Warum hast du diese Versammlung dann überhaupt einberufen?«
Die Siamkatze sah ihm ernst in die Augen. » Ich glaube keineswegs, dass sie sich friedlich niederlassen werden. Hulo hat recht, wenn er glaubt, uns stehe Krieg ins Haus.«
Hulo machte den Buckel ein wenig kleiner. » Meine Nase sagt mir, dass es Krieg geben wird«, meinte er, und der Trotz in seinem Miauen verriet seine Sorge. » Auch Beraal ist davon überzeugt und sie hat eine gute Nase für Schwierigkeiten.«
Die Siamkatze streckte ihre Schnurrhaare aus und wandte sich dabei an Qawwali. » Mein Freund«, sagte sie milde. » Wir treffen uns meistens am Schrein des Fakirs und an der Kanalstraße. Willst du nicht ein Stück in Richtung des Verrammelten Hauses gehen und uns sagen, was dir deine Nase verrät? Beraal führt dich hin.«
Die junge Kätzin und die alte Schreinkatze verließen den Stufenbrunnen. Beraal ging über die rutschigen Steine und durch den Schlamm voraus. In der Dunkelheit waren sie nur als schwache Schemen zu sehen und bald verschwanden sie ganz.
Southpaw saß hinter Hulo und beobachtete die Wilden Katzen fasziniert. Außer bei Kämpfen oder bei den gelegentlichen Versammlungen der Katzen, wenn die Großfüße eines ihres großen Feste feierten, hatte er nie so viele Angehörige der verschiedenen Clans von Nizamuddin an einem Ort gesehen. Durch die Rastlosigkeit der Schnurrhaare und das unbehagliche Zucken der Ohren spürte er die Anspannung, die in der Luft lag.
Der kleine Kater traute sich nicht vor den anderen Wilden Katzen zu miauen, aber wenn er an Datura, Aconite und Ratsbane dachte, konnte er sich schwer vorstellen, dass sich die Unbezähmbaren friedlich wie alte Tigerkatzen in der Sonne Nizamuddins niederließen. Die Dunkelheit schien allen aufs Gemüt zu schlagen. In der Stille, die sich seit Qawwalis Abgang eingestellt hatte, hörte man leises Klagen vom Verrammelten Haus und die Warnrufe einiger Vögel.
» Hulo«, sagte Southpaw und tätschelte die große schwarze Pfote des Katers, um auf sich aufmerksam zu machen, » wie wird dieser Krieg denn sein? Wird Katar oder wirst du gegen Datura kämpfen und wir anderen müssen zuschauen?«
Die Schnurrhaare des schwarzen Katers versprühten ungewohnten Grimm und sein leises Miauen war voller Sorge. » Das wird nicht so sein wie ein Kampf im Stufenbrunnen«, antwortete er. » Wenn wir gegen die Unbezähmbaren kämpfen müssen, wird jede Wilde Katze mit in die Sache hineingezogen, Southpaw.« Er sah die Verwirrung in den Augen des kleinen Katers und fügte hinzu: » Als du im Verrammelten Haus warst, haben dich da nur ein oder zwei Unbezähmbare angegriffen, oder haben sie sich alle um dich versammelt?«
Southpaw zitterte bei der Erinnerung an den Kreis bedrohlich zuckender Schnurrhaare. » Alle haben sich zum Angriff bereit gemacht«, entgegnete er. Unwillkürlich fuhr seine Zunge über die Stelle, wo man ihm ein Schnurrhaar ausgerissen hatte. Die Wunde war verheilt, und es wuchs bereits ein neues, borstiges und schwarzes Schnurrhaar heraus. Aber er erinnerte sich noch allzu gut an den Schmerz.
» Wenn wir auf die Jagd gehen, sind wir allein oder zu zweit unterwegs«, fuhr Hulo fort. » Die Unbezähmbaren jagen in Rudeln, denn ihr Revier ist viel zu klein. Und nachdem sie so lange als Drinnenkatzen gelebt haben, sind sie verschroben, Southpaw. Wenn es also Krieg gibt, müssen wir zusammen kämpfen.«
Southpaw versuchte sich einen Krieg vorzustellen, doch es gelang ihm nicht. Abgesehen von Miao und Katar, die gegen den Hund angetreten waren, der Southpaw verfolgt hatte, hatte er noch nie Wilde Katzen Seite an Seite kämpfen gesehen.
In dem Moment
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