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Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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schwankte zwischen Angst und Neugier. Fragte sich das kleine Wesen, was aus dem Milchgeruch seiner Mutter geworden war? Was fühlte es in diesem Moment? Fror es? Ein eisiger Wind war aufgekommen. Konnte er das Junge vielleicht retten, so wie Donnerherz ihn gerettet hatte? Aber nein, das war unmöglich. Er hatte ja keine Milch. Und außerdem verstieß es gegen die Gesetze der Hinterlandwölfe, dass ein anderer Wolf sich um ein Malcadh kümmerte.
    Als die Obea im dichter werdenden Nebel der Abenddämmerung verschwunden war, konnte Faolan nicht länger an sich halten. Er hievte sich aus dem Graben und kletterte den Steilhang zu dem Tummfraw hinauf. Als er fast oben war, drang hin und wieder das leise Wimmern des Welpen an sein Ohr. Mit jedem Schritt fühlte er sich mehr als Verräter am heiligsten der Wolfsgesetze. Aber er wollte ja nur nachsehen.
    Nein, du lügst , sagte eine Stimme in seinem Kopf. Du gehst hin, um das Kleine zu trösten. Beim Lupus! Faolan hatte das Gefühl, dass MacDuncans Geistnebel ihm bis auf den Bergkamm gefolgt war. Doch als er die sternfunkelnde samtblaue Kuppel des Nachthimmels absuchte, war vom Sternbild des Großen Wolfs nichts zu sehen. Auch die Sternenleiter und die himmlische Höhle der Seelen war verschwunden. Doch warum spürte er dann den Geist des Oberhaupts so deutlich?
    Faolan wagte sich noch einen Schritt näher. Und da lag es, das Malcadh , winziger, als er es sich je hätte vorstellen können. Ein lohfarbenes Weibchen, ein schimmernder goldener Flauschball, ohne jede Missbildung. Im Gegenteil – etwas so Vollkommenes hatte Faolan noch nie gesehen. Aber die Kleine war so winzig, dass ihr ganzes Körperchen bei jedem Herzschlag bebte. Am liebsten hätte er sie geleckt, ihr ein wenig Trost und Wärme gespendet, bevor sie starb. Lange würde sie nicht mehr leben, das stand fest. Die ersten Schneeflocken des Winters rieselten herab. Vielleicht würde sie darunter begraben werden und in den Kälteschlaf fallen. Angeblich war das eine gute Art, aus dem Leben zu gehen. Ja, Faolan wünschte ihr eine weiche, dicke Schneedecke. Vielleicht wäre das auch ein gutes Versteck, in dem sie vor den Eulen oder vor Raubkatzen wie Rotluchsen und Pumas geschützt war. Auch Elche würden diesen Weg bei Tiefschnee nicht nehmen.
    Faolan wusste, dass er das kleine Wesen nicht anfassen durfte. Vom höchsten Punkt des Bergkamms aus heulte er ein Gebet an den Großen Lupus in die Dämmerung, dass er Schnee schicken möge, viel Schnee.
    Die Nacht ist gekommen, die Sterne leuchten,
    lass jetzt Schnee auf das Kleine rieseln,
    das hier auf dem Tummfraw liegt.
    Ein Wolfskind, ausgesetzt,
    ohne Mutter, ohne Milch.
    Kalt ist ihm und es ist so allein.
    Das große Nichts ist sein Zuhause,
    die große Leere, endlos wie das Meer.
    Ohne Zuflucht, ohne Zukunft.
    Sag mir, wohin bist du gegangen,
    Großer Wolf der Nacht?
    Wo bist du,
    wenn das Welpenmädchen um sein Leben kämpft?
    Sag mir, was siehst du von deinem Himmelsbau?
    Siehst du die kleine Wölfin nicht?
    Wie ein winziger Goldstern erlischt ihr Licht.
    Ihr Atem wird flach,
    ihr Wimmern dünn.
    Behüte sie vor den Zähnen des Fuchses
    und vor den Krallen der Eule.
    Töte sie sanft, wenn du sie nehmen musst.
    Hörst du ihr Wimmern nicht?
    Leise, ach so leise,
    ihr Herz schlägt so schwach.
    Eine Schneedecke gib ihr, dick und weiß.
    Damit ihre Seele sich zum letzten Flug aufschwingt,
    dorthin, wo fröhliche Welpen spielen.
    In den Sternen oben, wo die Bäuche voll
    und Malcadh willkommen sind.
    Wo es keine Jagd und keinen Hunger gibt.
    Wo man auf einem Stern steht
    und nach der Sonne greifen kann.
    Wo Wölfe, Bären und Rentiere eins sind.

Die Sark stand vor ihrer Höhle und fachte das Feuer im Brennofen an, als die Wölfin mit letzter Kraft den Weg herauftaumelte. „Ach du liebe Güte“, seufzte die Sark. „Ich bin gleich bei dir, meine Liebe.“
    Einladend nickte sie zum Höhleneingang. Ihr schielendes Auge – böse Zungen verglichen es mit einem fauligen Eidotter – verdrehte sich dabei in die entgegengesetzte Richtung. Der Sark entging nicht, wie die Wölfin bei diesem Anblick erschauerte. Gut, dachte sie, zumindest hat die Arme noch genug Kraft, um sich ein wenig vor meinem dummen Augapfel zu fürchten.
    Steifbeinig ging die Wölfin zum Eingang. Sie brauchte dringend Trost und Hilfe und trotzdem zögerte sie, den Bau dieser seltsamen Wölfin zu betreten. Die Sark lebte außerhalb des Clans und experimentierte mit Feuer – es wurde sogar gemunkelt,

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