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Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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dass sie eine Hexe sei. Aber sie nützte das Feuer nur, um ihre Heiltränke zu brauen. Den Trank des Vergessens zum Beispiel – und die Wölfin lechzte danach, vergessen zu können.
    Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte sie einen Fellstapel an der hinteren Wand, umkreiste ihn dreimal und sank dann erschöpft darauf nieder. Vorsichtig beschnüffelte sie das Fell und fing eine schwache Duftspur der Malcadh -Mutter auf, die zuletzt hier geschlafen hatte. Der Geruch war mindestens ein Jahr alt. Obwohl sie zu Tode erschöpft war, konnte die Wölfin nicht schlafen. Ihr Blick wanderte rastlos durch die Höhle. Es war der sonderbarste Wolfsbau, den sie je gesehen hatte. Fellsäcke hingen an Spießen aus Rentiergeweih, die aus der Wand ragten. Auf Steinsimsen standen Töpfe und Krüge aus Ton. Die Wölfin hatte gehört, dass die Sark magische Kräfte besitze und gewöhnliche Erde in allerlei Gebrauchsgegenstände verwandeln könne. Eine Fähigkeit, die auch die Eulen besaßen. Nur dass die Eulen ihr Feuer meist für Metalle, nicht für Erde und Lehm nutzten. An den Wänden hingen Felle mit Zeichen, die aussahen, als seien sie mit einem verkohlten Holzsplitter eingeritzt worden. Die Wölfin hatte keine Ahnung, was die Zeichen bedeuteten. Einige davon waren sehr hübsch und bildeten gefällige Muster. Auch Federn entdeckte sie – keine Eulenfedern, sondern die Federn von Schnee- und Moorhühnern, die zu prallen Büscheln angeordnet waren. Von der Decke hingen getrocknete Gräser, Kräuter und Moose.
    Jetzt trat die Sark in die Höhle und zog mit den Zähnen einen Stöpsel aus einem Krug, der auf der Seite lag. Sie ließ ein dünnes Wassergerinnsel in eine kleine Lehmschale darunter rieseln. Aus einem der Kräuterbüschel an der Decke schüttelte sie ein paar Blätter heraus, nahm getrocknete Flechten aus einem Tontopf und streute sie ins Wasser.
    „Trink das“, sagte sie und schob der Wölfin das Elixier hin. „Damit du vergessen kannst.“
    Sobald eine Malcadh -Mutter aus dem Rudel verbannt wurde, setzte das Vergessen ein. Dort, wo das Junge in ihr gewachsen war, breitete sich eine tiefe Dunkelheit aus. Mit der Zeit verblasste die Dunkelheit zu Grau, bis nur noch der Schatten ihrer Trauer übrig war. Nur so konnte die Wölfin weiterleben, einen neuen Clan, ein neues Rudel und einen neuen Gefährten finden. Bei manchen dauerte das Vergessen allerdings länger. Sie taumelten am Rand der Schwärze dahin, ohne je ganz von ihr ausgefüllt zu werden.
    Misstrauisch beäugte die Wölfin die Lehmschale. Das war alles so seltsam – die Schale, das Wasser aus einem Krug, die Gras- und Kräuterschnipsel, die darin herumschwammen.
    „Nun komm, meine Liebe, nimm einen Schluck. Du bist nicht eine dieser Wölfinnen …“, die Sark vermied bewusst das Wort „Mutter“, „ich meine, du bist doch nicht abseits gegangen, oder?“ Manche Wölfinnen spürten irgendwie, dass sie ein Malcadh in sich trugen, und stahlen sich heimlich davon, um der Obea zu entkommen.
    „Nein, dazu war keine Zeit“, schluchzte die Wölfin. „Sie war kein Malcadh . Sie war so schön, so vollkommen.“
    „Nur war es zu früh dran …“ Die Sark sagte immer „es“, wenn sie von einem ausgesetzten Welpen sprach. „Das ist aussichtslos und gibt nur Probleme, Herzchen. Trink jetzt.“
    Manche Mütter wehrten sich gegen die Dunkelheit, das wusste die Sark. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie es war, wenn man nicht vergessen konnte. Ihr ganzes Leben war der Erinnerung geweiht. Als die Wölfin endlich schläfrig wurde und in einen langen Schlummer fiel, fing die Sark einen Dufthauch auf, der eine dunkle Erinnerung in ihr aufrührte.
    Die Wölfin hat in den letzten Sommermonden Süßgras von den Hochebenen gefressen, dachte sie. In einem Spätsommermond hatte die Sark den Entschluss gefasst, nie in einem Clan zu leben – damals, als sie zum ersten Mal ihre Milchgeberin, ihre Mutter erblickt hatte. Jedenfalls glaubte sie, dass es ihre Mutter gewesen war. Seufzend widerstand sie der Versuchung, zu ihrem Erinnerungskrug zu gehen. Sie war jetzt nicht in der Stimmung, alte Ängste zu wecken.
    Die Erinnerungskrüge gehorchten ihren eigenen Gesetzen, die der Sark genauso wichtig und teuer waren wie den Clanwölfen die Regeln der Großen Kette oder des Gaddernock . Nein, die Sark ließ sich nicht von hochrangigen Wölfen vorschreiben, wie und wann sie sich zu verneigen hatte. Diese ganzen Unterwerfungs- und Ehrerbietungsrituale

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