Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)
der Schande trug er nicht mehr unter das Kinn geklemmt, sondern im Maul. Niemand durfte erfahren, dass die beiden Knochennager unterwegs wie gute alte Freunde miteinander geredet hatten.
„Schön, nicht wahr?“, wisperte der Pfeifer Faolan zu und nickte zu dem Felsen hinüber.
Aber mit dem Knochen im Maul konnte Faolan nicht antworten.
Stumm bewunderte er den Felsen, der aussah, als wären die Sterne vom Himmel gepurzelt und hätten im Stein Wurzeln geschlagen.
Ein schöner schwarzer Wolf kam jetzt hinter dem Fels hervor und empfing den Pfeifer mit einem knurrigen Gruß, während er Faolan grob am Ohr knuffte. Faolan machte sich nichts daraus, obwohl es bitter war, plötzlich wieder wie Dreck behandelt zu werden, nachdem er zum ersten Mal die Freundschaft mit einem anderen Wolf genossen hatte.
„Lachlana und Tamsen warten dort drüben.“ Der schwarze Wolf nickte zu dem Felsüberhang. Faolan sah, dass andere Wölfe dort in den Schatten herumschlichen, und er spürte ihre misstrauischen Blicke auf sich. Ihre Neugier machte ihn nervös. Vor seiner Zerknirschungsrunde war er für die anderen nur ein Verrückter gewesen. Doch jetzt kam er mit Schande bedeckt in dieses fremde Rudel, als einer, der den Byrrgis gesprengt und die Ordnung zerstört hatte.
Der Pfeifer hielt sich etwas abseits und beobachtete die Wölfe. Alle waren beeindruckt von Faolans Größe und Stärke, das konnte er sehen. Selbst als Faolan sich im Staub wälzte, sah er nicht wie ein Knochennager aus. Sein Fell war zu glatt, er hatte nichts Struppiges oder Heruntergekommenes an sich. Die Blaufelswölfe starrten ihn verwundert an.
„Und das soll ein Knochennager sein?“, knurrte ein junger Wolf mit einem Anflug von Neid in der Stimme.
Was würden diese Wölfe erst sagen, wenn sie wüssten, dass Faolan einen riesigen Flechtenfresser zu Tode geritten hatte? Dem Pfeifer wurde ein wenig bange um diesen merkwürdigen jungen Knochennager, der so ganz anders war, als er es sich jemals hätte vorstellen können.
Obwohl Faolan sofort auf den Bauch ging und im vorgeschriebenen Unterwürfigkeitsgang zu den beiden Außenflankerinnen robbte, gelang es ihm, einen Hauch seiner Würde zu wahren.
Faolan hatte nur einen kurzen Blick auf die beiden Außenflankerinnen werfen können, ehe er zu kriechen begann. Zumindest wusste er, dass er zwei kraftvolle Wölfinnen vor sich hatte, deren Fell cremeweiß schimmerte. Wahrscheinlich waren sie Schwestern. Als er ihre Pfoten erreicht hatte, hielt er an und ließ den Knochen der Schande fallen. Die etwas kleinere Wölfin riss den Knochen schnell an sich, aber vorher biss sie Faolan scharf in die Nase. Dann reichte ihm ihre Schwester einen frischen Knochen, ein Stück von einem Geweih. Das war der Zerknirschungsknochen, den Faolan benagen musste. Zuerst trat jedoch der Rudelführer vor, um den Knochen der Schande zu verlesen. Die beiden Außenflankerinnen wichen mehrere Schritte zurück.
Lord Dain, der direkt über Faolans Kopf stand, begann mit tiefer, wohlklingender Stimme zu lesen: „Wie von dem Knochennager Heep aus dem Flussrudel des MacDuncan-Clans berichtet …“
Faolan krümmte sich innerlich, als er Heeps Namen hörte. Du wirst dich daran gewöhnen müssen , ermahnte er sich. Du wirst ihn noch oft genug zu hören bekommen.
„Am Morgen nach der fünfzehnten Nacht des Rentiermondes bildete sich ein Byrrgis auf der Senge, um einen Elchbullen zur …“
Nach dem fünften „bescheiden“ und „untertänigst“ in Heeps Geschichte lief ein unterdrücktes Kichern durch die Reihe der anwesenden Wölfe. Das tröstete Faolan ein wenig, aber nicht sehr lange.
„Der ist aber ein böser Wolf, oder, Mama?“, hörte er einen kleinen Welpen sagen.
„Ja, sehr böse“, bestätigte seine Mutter.
Faolan klemmte den Schwanz noch fester zwischen die Beine und kniff die Augen zusammen. Warum war er nur so ein Idiot gewesen? Duncan MacDuncans Worte hallten ihm erneut in den Ohren wider: Nur leider fehlt es dir an Vernunft .
Ich bin groß, aber dumm , schoss es Faolan durch den Kopf. Wie konnte ich nur so blöd sein und auf die Hinterbeine gehen wie ein Grizzly? Selbst Donnerherz wäre vermutlich entsetzt über sein Benehmen gewesen. Vielleicht hätte sie gedacht, dass er ihre Lehren missbraucht hatte. Der Gedanke war ihm unerträglich – ein Wolf, der gleich zwei Tierarten beleidigte. Noch nie in seinem Leben hatte Faolan sich so geschämt.
Lastendes Schweigen folgte, als Dain zu Ende gelesen hatte – bis ein
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