Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)
„Verstehst du denn nicht? Ich bin rudellos. Clanlos. Ich habe keine Freunde, keine Verbündeten. Ich kenne keine Wölfe.“
„Aber sie kommen doch zu dir. So wie damals, als die Clans hinter mir her waren.“
„Ja, und das war ein großer Fehler. Ich hätte nach einem Beweis für deine angebliche Geiferseuche fragen sollen.“
Faolan nickte zu der Wölfin hinüber. „Und die da ist auch zu dir gekommen.“
„Das ist was anderes. Die Wölfinnen kommen, weil sie in Not sind. Nicht, um mir Gesellschaft zu leisten oder mit mir zu heulen. Deine Mutter war nicht hier. Ich kenne sie nicht.“
Faolan winselte, legte sich nieder und vergrub die Schnauze zwischen den Pfoten.
„Hör mit dem Gewinsel auf. Winselnde Wölfe kann ich nicht ausstehen.“
Faolan schniefte. „Ich will es doch nur wissen, das ist alles. Ich hatte eine zweite Milchgeberin, nachdem die Obea mich fortgebracht hatte, verstehst du?“
„Ich weiß, eine Grizzlybärin.“
„Und woher weißt du das?“
„Ich habe ihren Geruch aufgefangen, als der Byrrgis dich gehetzt hat. Die anderen übrigens auch. Sie dachten aber, dass dich ein Geiferseuchenbär gebissen und mit der Krankheit angesteckt hat.“
„Und du hast das nicht geglaubt?“
„Ehrlich gesagt, war ich mir nicht sicher. Es gab nicht genug Beweise, das sagte ich ja bereits. Aber ich habe den Milchgeruch aufgefangen – von längst vergangener Milch.“
Diese Wölfin musste einen unglaublich scharfen Geruchssinn haben. „Wenn du den Geruch meiner zweiten Milchmutter aufgefangen hast, wie konntest du dann glauben, dass sie mich je beißen würde? Ich war wie Donnerherz’ eigenes Junges. Selbst wenn sie rasend von der Geiferseuche gewesen wäre, hätte sie mich niemals gebissen“, sagte Faolan.
Die Sark legte den Kopf schief und ihr weghuschendes Auge stand auf einmal still. Sie schaute nicht Faolan an, sondern auf den Boden. „Oh“, wisperte sie müde, „du ahnst ja nicht, wozu eine Milchgeberin fähig ist.“
„Wie meinst du das?“
Die Sark überlegte eine halbe Ewigkeit, dann drehte sie langsam den Kopf zur hinteren Höhlenwand um, wo die tiefsten Schatten sich sammelten und einige ihrer Erinnerungstöpfe in den Nischen thronten.
Faolan beobachtete sie neugierig, aber sie merkte es nicht.
„Was sind das für Dinger?“, fragte er.
Die Sark drehte den Kopf herum, sodass ihr weghuschendes Auge auf die Krüge gerichtet war und das andere auf Faolan. „Das sind meine Erinnerungskrüge.“
„Deine Erinnerungskrüge? Hast du auch welche von den Gaddernag , diesen Knochennager-Wettkämpfen?“
„Nein. Warum fragst du?“
„Weil bald einer abgehalten wird – wenn der Mond der Singenden Gräser kommt.“
„Der wird nie kommen.“ Die Sark schüttelte müde den Kopf.
„Was willst du damit sagen?“
„Dass mit dem Wetter in letzter Zeit etwas cag mag ist. Und mit den Jahreszeiten. Ich komme nur nicht dahinter, was es ist.“ Sie seufzte. „Dann soll also wieder ein Gaddernag stattfinden? Der letzte ist schon eine Weile her.“
„Ja, und das könnte meine Chance sein.“ Faolan zögerte. Er wagte nicht, hinzuzufügen, was Duncan MacDuncan ihm gesagt hatte.
„Deine Chance? Wofür?“
„Von hier wegzukommen. Ein Wolf der Garde zu werden. Ich hatte gehofft, dass du vielleicht ein paar Ratschläge für mich hast, die mir weiterhelfen.“
„Da musst du mir schon einen besseren Grund nennen, mein Lieber.“
„Warum? Wie meinst du das?“
„So wie ich es gesagt habe. Einfach weglaufen ist ein dummer Grund. Wo willst du hin? Nein, dafür stecke ich meine Schnauze nicht in einen Topf.“ Sie hob eine Pfote und tippte sich an die Stirn. „Das hab ich alles hier drin, in meiner guten alten Birne. Außerdem warst du jetzt lange genug in meinem Bau. Du musst gehen, bevor sie aufwacht. Es wäre zu schmerzlich für sie, wenn sie ihr Junges an dir riecht.“
„Ja, gut“, erwiderte Faolan. Er stand auf und dachte wieder an seine beiden Milchgeberinnen. Donnerherz würde er auf dieser Erde nicht mehr begegnen. Er würde sie erst wiedersehen, wenn er starb und sich zu dem Ort aufmachte, den die Bären „Ursulana“ und die Wölfe „Höhle der Seelen“ nannten. Aber seine richtige Wolfsmutter oder sein Wolfsvater waren vielleicht noch am Leben.
Die Sark konnte anscheinend Gedanken lesen. Mit einem tiefen Knurren sagte sie: „Tu das nicht, Faolan. Versuch nicht, deine Mutter zu finden. Sie wird dich sowieso nicht erkennen. Und wie wird es dir dann erst
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