Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)
gehen?“
„Ach, sie erkennt mich schon. Ganz bestimmt“, erwiderte Faolan mit unerschütterlicher Gewissheit. „Ihr Herz wird es ihr sagen, wenn sie mich sieht.“ Er hob die Vorderpfote und drückte sie in die Erde. Und wieder einmal hinterließ die gespreizte Pfote den Abdruck mit dem seltsamen Spiralmuster.
Der Wind war gegen sie. Er tanzte irgendwie aus der Reihe, wie so oft im Mond des ersten Schnees. Gwynneth, Eulenschmiedin und Tochter des verstorbenen Gwyndor, hatte die halbe Nacht gegen diesen Wind angekämpft, um nach Norden zum Kreis der Heiligen Vulkane zu kommen. Wie immer um diese Jahreszeit brachen die Vulkane aus. Gwynneth konnte jetzt „Rumser“ sammeln, wie das alte Schmiedewort für die Glutbröckchen lautete, die am heißesten brannten. Die mit dem blauen Kern in der Mitte, der von Grün umhüllt war.
Gwynneth hatte sich vorgenommen, schon früh in diesem Schneemond zu den Vulkanen zu fliegen, um den Eulen aus den Ga’Hoole-Reichen im Süden zuvorzukommen. Sie hatte einen Umweg genommen, weil sie nicht ständig in den widrigen Gegenwinden absacken wollte.
Ein Aufwind mit etwas wärmerer Luft kam aus dem Nirgendwo und verschaffte ihr eine kurze Atempause im Kampf gegen die launischen Winde. Endlich konnte sie mühelos dahingleiten. Ihre strapazierten Flügel brauchten dringend eine Erholung, doch mitten im Gleitflug fing sie einen dünnen Geräuschfaden auf. Was war das nur? Es klang irgendwie merkwürdig. Und beängstigend. Ein ganz schwaches, hohes Winseln. Gwynneth neigte den Kopf mal auf die eine, dann wieder auf die andere Seite. Als Maskenschleiereule gehörte sie zur Familie der Schleiereulen, die für ihr feines Gehör berühmt waren. Da ihre Ohrenschlitze seitlich versetzt angeordnet waren, konnte sie die winzigsten Geräuschspuren auffangen. Und dank ihres dehnbaren Gesichtsschleiers konnte sie sich auf nur eine bestimmte Geräuschquelle einstellen.
Das Maunzen steigerte sich zu einem markerschütternden Schrei, gleichzeitig fing Gwynneth einen grässlichen Reißlaut auf. Großer Glaux! Da wurde ein Welpe ermordet! Von … von … von … einem Wolf?
Der Mord an einem Malcadh war das schlimmste Verbrechen, das ein Wolf begehen konnte. Das wusste Gwynneth. Und sie war sich hundertprozentig sicher, dass der Killer ein Wolf sein musste, denn sie hatte das Geräusch erkannt. Das waren eindeutig Wolfszähne gewesen. Die langen vorderen Fangzähne zerfetzten die Beute und bald hörte Gwynneth das Knirschen der Backenzähne, die wie Klingen arbeiteten und das Fleisch in kleinere Stücke zerteilten. Wegen der dichten Wolkendecke konnte sie nichts sehen, aber sie wusste auch so, was dort geschah. Sie erkannte es an den grässlichen Geräuschen und dem Keuchen des Mörderwolfs.
Gwynneth ließ sich in den sogenannten Todessturz fallen, obwohl es in diesem Fall ein Lebenssturz war, ein Rettungssturz. Wenn sie rechtzeitig unten ankam, konnte sie den kleinen Welpen vielleicht noch retten und den Mörder in die Flucht schlagen. Wenn … wenn … wenn …
Aber es war zu spät. Während Gwynneth durch die Wolkendecke brach, raste der Wolf bereits den Hang hinunter. Als sie endlich auf dem Tafelfelsen landete, war das kleine Wesen tot. Entsetzt starrte sie auf den leblosen Körper. Es war ein winziges Ding, ein Weibchen, kein wirkliches Malcadh . „Einfach zu früh geboren“, wisperte Gwynneth leise. Der Körper der Kleinen war übel zugerichtet. Warum hat er sie nicht erstickt ?, dachte sie schaudernd. So ein schrecklicher Tod! Der Wolf hatte den kleinen Körper regelrecht zerfleischt. Bis auf die Knochen hatte er gebissen.
Gwynneth wurde so schlecht, dass ihr das Gewölle hochkam. Eulen stießen häufig auf Malcadh , die auf ihrer Flugroute ausgesetzt wurden, und fraßen sie. Gwynneth selbst hatte diese Gewohnheit aufgegeben, als sie in die Hinterlande gezogen war. Aber niemals würde eine Eule ein Wolfsjunges so erbarmungslos zerfleischen. Meist genügte ein kurzer Schnabelhieb in die weiche Stelle im Schädel des Welpen, um ihn rasch zu erlösen. Aber dieser Welpe hier war nicht schnell und schmerzlos gestorben, sondern unter entsetzlichen Qualen.
Oh , dachte sie, möge das kleine Geschöpf schnell den Weg zur Höhle der Seelen finden . Das Sternbild des Großen Wolfs war zwar in den nächsten beiden Monden nicht sichtbar, aber der Sternenwolf war gewiss nicht so herzlos, die Seele des Malcadh hilflos umherirren zu lassen.
Am liebsten hätte Gwynneth die Überreste der kleinen
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