Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)
flach nach vorn gerichtet.
Faolan umkreiste Heep und stolzierte drohend um ihn herum. Direkt vor ihm hielt er an und fletschte die Zähne. Schließlich begann er zu sprechen und was er sagte, war so unglaublich, dass die anderen Wölfe nach Luft schnappten. „Heep, du bist hochmütig, auch wenn du noch so bescheiden tust. Und du bist ein Heuchler. Dein Hochmut und deine Falschheit haben dich verdorben und zu einer niederträchtigen Kreatur gemacht. Was du gerade zu Edme gesagt hast, war grausam. Du bist eitel und deine viel gerühmte Bescheidenheit ist nichts als Lug und Trug. Du lechzt doch immer danach, gedemütigt zu werden, oder? Nun, das kannst du haben.“
Dann machte Faolan etwas Unerhörtes. Er ging auf die Hinterbeine, legte Heep beide Vorderpfoten auf die Schultern und drückte ihn hinunter. Es war das aggressivste Dominanzverhalten, das einem Wolf zu Gebote stand.
Es gab keinen Kampf, kein Tropfen Blut wurde vergossen. Die vier anderen Knochennager standen fassungslos daneben. Was sich hier abspielte, ging weit über einen Streit hinaus. Keiner von ihnen mochte Heep, aber Faolans Verhalten erschreckte sie zutiefst. Es verstieß gegen alle Regeln und Gesetze des Gaddernock , dass ein Knochennager sich so dominant gebärdete.
Als Faolan die Vorderpfoten herunternahm, rappelte Heep sich auf und blickte hasserfüllt um sich. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt. „Du hast einen Fehler gemacht, Knochennager“, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen. Seine Ohren lagen flach am Hinterkopf und er wich Faolans Blick aus. „Ich könnte dich anzeigen. Und das wäre dein Ende.“
Der Pfeifer trat vor und begann zu sprechen. Seine Stimme war wie ein Windstoß, der durch eine tiefe Schlucht fegt. „Nein, das wäre nicht das Ende, sondern der Anfang. Du verlierst kein Wort darüber, Heep. Verlass dich darauf!“ Auch er ging auf die Hinterbeine und legte Heep die Pfoten auf die Schultern. Sobald er auf alle viere zurückfiel, folgte Creakle seinem Beispiel. Da er nur eine Vorderpfote besaß, verdrehte er den Körper, bis seine beiden Hinterpfoten fest auf Heeps Schultern lagen. Unerbittlich drückte er ihn hinunter. Der ohrlose Tearlach kam als Nächster an die Reihe und schließlich trat Edme vor.
Ihr gesundes Auge war von einem tiefen, leuchtenden Grün und funkelte vor unvergossenen Tränen. Bevor sie auf die Hinterbeine ging, sagte sie mit ihrer hohen, klaren Stimme: „Du hast mir wehgetan, Heep. Ich spreche nicht von dem Biss in mein Ohr, aber deine Worte waren grausam. Und ich bin Grausamkeit gewöhnt, das kannst du mir glauben. Ich komme schließlich aus dem MacHeath-Clan. Auch wenn wir auf dieser Schrappe nur niedrige Knochennager sind, benehmen wir uns wie anständige Wölfe. Nur du nicht, Heep. Du bist kein anständiger Wolf.“
Als sie die Pfoten von Heeps Schultern nahm, trat Pfeifer erneut vor. „Jetzt, Heep, bist du wirklich gedemütigt. Aber spar dir deine scheinheiligen Kommentare. Das will niemand hören.“
Faolan war tief bewegt von dem Zusammenhalt, den die Knochennager bewiesen hatten. Eigentlich hätte er nach diesem Erlebnis gut schlafen müssen. Aber wieder einmal drängte sich die Geschichte der Skrielin in seine Träume – die Geschichte des dickköpfigen Welpen, der immer wieder die Sternenleiter hinuntersprang. Bald vermischten sich die Bilder mit dem verhassten Klicken von Heeps Zähnen. Warum ließ ihm das keine Ruhe? Wie viele Knochen musste er denn noch aufspüren?
Er war noch einmal zum Hügelkamm gegangen und hatte ein paar weitere Knochen gefunden, die er neben Donnerherz’ Pfote gebettet hatte. In ihrem Erdenleben war die Grizzlybärin seine Mutter gewesen. Im Tod würde sie über das kleine Welpenmädchen wachen. Damit hatte sie ja Erfahrung. Donnerherz hatte Faolan nicht nur gesäugt, sondern ihn auch jagen und springen gelehrt. Vielleicht konnte sie das kleine Wesen dazu bringen, die Sternenleiter hinaufzuklettern.
Doch jedes Mal wenn er an das Malcadh dachte, fiel ihm die Geschichte von Skaarsgard ein – wie er dem Sternenwelpen nachjagte, der immer wieder die Sternenleiter hinuntersprang, weil er das Fleisch des Fuchses kosten und im Fluss nach Lachsen fischen wollte. Und dass der Welpe nicht träumen konnte, weil er nicht lange genug gelebt hatte. In solchen Momenten spürte Faolan bis ins tiefste Mark, was ihn nicht mehr losließ, seit er die Geschichte gehört hatte: Das winzige Wesen, das er auf dem Tummfraw zurückgelassen hatte, kam nicht
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