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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Martini
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dass wir reisen würden, wie ich dir von Transsylvanien erzählte. Wie du sagtest, dass du mir nicht reichst, und wie ich dachte, dass ich selbst mir nicht reiche, wie ich dir das alles nicht sagen konnte, weil mein Kopf stumm und taub war vor Sorge.

Wie wir bei dir fernsahen. »Alles Mist«, sagte ich da, und dann guckten wir arte und es war einigermaßen okay. Wenn du morgens raus bist, schaute ich dann stundenlang nur Schwachsinn, weil ich doch schon lange keinen Fernseher mehr hatte, weil ich wohl was aufholen musste. Manchmal blieb ich, bis du wiederkamst, überraschte dich, und dann brieten wir Thunfischsteaks mit Olivenöl und Knoblauch und Zitrone drauf, schickten uns ins Bett, lachten und liebten uns, und du warst weit weg, und ich war ganz nah und beobachtete dich und sah dir ganz genau zu, und du ließt dich gehen und ich bin mitgegangen.

Weißt du noch, ganz am Anfang, als wir so litten, der Blume wegen? Wir gingen feiern und zogen was, waren zu lang wach, und Peter kam ins Spiel. Ich war kaputt, weil es meine Schuld war, und ich bewunderte dich jetzt noch mehr, weil ich sah, dass du ein Mensch bist. Es gibt nicht mehr viele Menschen auf der Welt. Fast alle wollen etwas anderes sein. Es gibt endlos viele Bilder von Menschen. Du aber warst ein Mensch. Und ich wollte das Bild vieler Bilder sein. Wie du mir eins gemalt hast, zwei weiße, verschlungene Figuren, ohne Gesichter, die eins werden, auf ihren Füßen ein rotes Tuch. Ich wusste nicht, dass es blutgetränkt war.

Als wir David trafen. Wir tranken zu dritt auf dem Tangoschiff Mojitos. Ihr habt getanzt. Ich kann ja nicht tanzen. Wir fuhren ins Haus des Reisens, feierten weiter, nahmen eine Pille und trafen Jenny. Wir knutschten alle miteinander, und als die Pille voll einschlug, wurde mir schwach und ich ging. Ich sah dich und David noch fröhlich Hand in Hand gen Tanzfläche hüpfen, da waren meine Beine kurz weg. Wie ich zerstört im Fahrstuhl stand, wie ich mein Fahrrad aufschloss, du standest plötzlich bei mir und sagtest, dass du hierhin gehörst. Wie wieder Beine sirrten, vor Glück dieses Mal. Wie wir auf unseren Fahrrädern saßen, wie glücklich ich war, die Eine gefunden zu haben, wie du gestrahlt hast! Deine Augen haben das klare Blau des Berliner Himmels an einem eisigen Januarmorgen und es hat geschneit in der Nacht und Baumspitzen glühn orangerosa und es ist kalt und es ist warm und ich will in dich sterben – c’ n’est pas la petite mort.



Wie wir Jens Lekman hörten. Du sagtest, er sei manchmal fast so gut wie Morrissey, und ich hatte keine Ahnung, wovon du sprichst, bis du The Smiths gesagt hast. Ich habe doch immer andere Musik gehört als du. Wir saßen da und hörten ihm zu, wie er mit gebrochenem Herzen verschmitzt von der Liebe erzählte. Wie du dich zur Musik bewegtest. Ein frischer Karpatenwind zieht ins Tal, streicht über goldene Ähren und erzählt alte Zigeunermärchen von blutjungen Mädchen, die sich in Brunnen und Birken verwandeln. Wie du deine Augen geschlossen und Wäsche aufgehängt hast, Theaterkostüme waren das. Da war ich dein Eisbär. Der Widerspenstigen Zähmung spielten wir.

Wie wir im Sommer zum Theater fuhren, du in deinen kurzen Röckchen. Ich freute mich wie ein kleiner Junge, wenn dein Höschen im Fahrtwind aufblitzte, und du hast die aggressiven Autofahrer verflucht. Ich fragte mich, warum du dich wunderst, und schimpfte trotzdem mit, weil ich doch Autos nicht mag. Du hast dich lustig über mich gemacht, weil ich ja selbst beim Bahnfahren ein schlechtes Gewissen hatte, und meine Freunde in Spanien wunderten sich, dass ich sie nie mehr besuchen kam. Ich war stumm und taub geworden aus Sorge und konnte nicht um ihr Glück streiten – ich wollte nicht als verrückt gelten. Wir sind vorher noch was essen gegangen ins AE, das schmeckte gut, besonders wenn René kochte, und du warst nah.

Wie wir das erste Mal getrennt waren und uns ein paar Tage später zufällig auf der Hoppetosse trafen. Du hattest was genommen, ich hatte zu viel getrunken. Wir sind auf der Toilette gelandet, besetzten sie mehr als eine Stunde lang. Du standest die ganze Zeit nackt da, ich stand die ganze Zeit nackt da, um uns herum tobte der Wahnsinn und in uns tobten die Leere und die Liebe mit. Wie du mich brüsk nach Hause geschickt hast, in deiner bestimmten Art, wie nur du das kannst, und du akzeptierst dann keine Widerrede, und ich konnte dir nur recht geben, wie du fast immer recht hast. Bin ich erst Mann, wenn ich Fehler

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