Der Clown ohne Ort
Klamotten und stelle mich unter die Dusche. Kein Grund, sich wohler oder schlechter zu fühlen, unterhaltener vielleicht. Ich reibe mir schläfrige, dumpf schmerzende Handgelenke. Mit einem geschmeidigen Übergang von etwa zweieinhalb Sekunden ist das Wasser plötzlich eiskalt. Der Boiler ist erwacht und hat sich mit einem kurzfristigen Einstellen der Gaszufuhr vom Dienst abgemeldet. Als ich nach kurzem Kampf mit dem Heizgerät wieder zitternd unter dem lauwarmen Wasser stehe, legt sich ein unstetes Gefühl der Mattheit in meinen Körper, dessen wechselnde Intensität mich einen Schwächeanfall fürchten lässt. Nach etwa zwei Minuten hat sich mein Kreislauf gefangen.
Ich schaue zurück. Das Großwol(l)fschaf steht felsenfest im Zimmer und starrt unbeeindruckt den eingeschalteten Fernseher an. Es hat sich nicht sonderlich viel getan: mein Bettsofa zerwühlt wie eh und je, Körperkonturen in Exkrementen auf Laminatbodenstrenge, Fernseher in unsicherer Entfernung meines neuen Hauptmieters, eine genial anmutende Anordnung geschickt verteilter Kotzpfützen – ein klares Déjà-vu. Dabei steht gar nicht mehr dasselbe Wunder da. Ich hätte es ohne weiteres übersehen, aber Säbelzähne starren jetzt aus seinem Maul. Ich meine auch einen aggressiveren Blick auszumachen. Na ja, jeder hat mal Stimmungsschwankungen, denke ich. Jetzt grinst mich Gottes Willhn an, scharf spöttelnd, mit Verachtung im gleichgültigen Blick. Was soll’s, gestern ist vorbei, Kater sachte abmurksen, das kann
Wo bin ich?
Als hätten sich Logik und Verstand endgültig von der Bildfläche verabschiedet, statuiere ich die Sphäre eines großen Verlusts. Die meisten meiner Besucher hatten geklagt, alles würde schlimmer werden, das glückliche Leben sei keins mehr und die Liebe zu sich und dem Nächsten auch kein Ausweg aus der allgegenwärtigen Trostlosigkeit. Für gewöhnlich hatte ich versucht zu erklären, wie es lief, das Glücklichsein, um bei Bemerken ihres Unverständnisses traurig zu werden. Doch das waren noch Zeiten, als meine Eingangstür einwandfrei funktionierte und das menschliche Leben noch Teil der realen Problemwelt war, von der nun behauptet wurde, sie sei nur noch entmenscht tragbar. Ich habe kläglich versagt. Anscheinend hat dieses Mysterium ein anderes Kaliber als gedacht, droht meine Wohnung endgültig zu besetzen, und mir wird klar, dass ich dringend was essen muss, um nicht völlig abzudrehen.
Ich öffne eine Dose stinkender Spinatravioli und schütte sie lustlos in meinen verkrusteten Topf. Während sie vor sich hin köcheln, räume ich auf. Ich denke an frische Feigen und Endivien mit einem leichten, süßbitteren Orangendressing und an ein getoastetes, nach reichlich Knoblauch, Tomaten und Olivenöl duftendes Weißbrot. Komisch, die Ausflüge, die ein Gestank aus Großwol(l)fschaf, Kotze, Reinigungsmittel und vor sich hin köchelnden Spinatstinkern unternimmt. Ich verdrücke dann hastig die giftgrüne Pampe. Die als Nachspeise gedachte Tüte gerät etwas schief, was ihren Zugfähigkeiten keinen Abbruch tut.
Bald wird es besser. Die Wohnung ist bis auf das deplagötzierte Mirakel einigermaßen aufgeräumt – zumindest der Trost bleibt. Die Frühnachrichten deuten wieder nichts Gutes und viel Schlechtes. Ich schalte ab und lasse mich von der Aussicht meines Fensters beruhigen.
Gleichgültig verbrennt die Sonne die Stadt. Kleine pastellfarbene Schäfchenwolken liegen auf der Meeresbrise. Da duckt sich ein Magensurren in den Bauch, wie in den Nächten mit Amaia und Lisa kriecht es als Schauer den Rücken hoch, springt, fällt in mich und ich lächle verklärt, wundere mich verrückt an Wolken und Himmel, blicke über Antennen und Dächer und Terrassen und Bäume, höre hupende Autos, denke über die Liebe und das Glitzern der Wasserlache auf dem Trottoir, die staubige Meeresbrise nach, wundere mich über Möwen, die träge ihre Bahnen ziehen, über mein kindliches, helles Auflachen, über die sengende Hitze der Mittelmeersonne, die den Verstand bisweilen betrügt und mich an Unendlichkeit glauben lässt, und dieses hastende, närrische Lachen, aus meinem Bauch, da wo die Seele sitzt, die Sonne und die Wolken – und Antennen, überall Antennen, die wie Stacheln den Horizont herausfordern, kleine Himmelsstürmer der Projektion, die auf sich selbst zurückfällt, und spielende Kinder, Kind um Kind utopischer Clown, weiser Narr ohne Ort.
Und während sie spielen, sehen sie einen Clown auf sich zukommen, alte, gestreifte
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