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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Martini
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mache?

Wie wir mit deinem Vater auf der Insel der Jugend einen faulen Sonntag verbrachten und später zum Freischwimmer paddelten. Du hast mich ausgelacht, weil wir meinetwegen im Zickzack fuhren. Da waren diese komischen Leute, die sich für Visionäre hielten. Wir blieben nicht, auf dem Wasser allein war es schöner. Du brauchtest einen Steuermann, und ich war nur der Junge, der lieben und spielen will. Und die Welt ging uns nichts an. Und wir hatten uns gefunden.

Wie wir mit der S-Bahn zu dir fuhren? Du trugst den schwarzen Rock, den plissierten. Du hast dich auf mich gesetzt, ich drang an deinem Höschen vorbei in dich, bei jeder Haltestelle hielten wir inne. Niemand stieg ein. Die ganze Fahrt lang. Wir machten weiter und feixten und freuten uns, als wäre das verboten. Wir spielten, bis wir ankamen. Wie fröhliche Schulkinder hüpften wir nach Hause und sangen und pfiffen. Das Leben war schön, die Sterne strahlten hell, alles war ruhig, als wären nur wir beide auf der Welt. Als wir die Treppen hochliefen, waren wir zu laut, und du machtest pssscht. Ich starrte spitzbübisch auf deinen Hintern. Wir kicherten, traten ein, ganz sachte machte ich die Tür zu. Du hattest das Bett frisch bezogen, das roch gut, ich schlief schnell ein wie lange nicht mehr. Spät in der Nacht wachte ich auf und dachte, ich träumte. Da lagst du, neben mir, leise schnarchend. Mit offenem Mund schliefst du, verwundert sahst du aus. Ich schaute dir zu und dachte, dass das für immer so bleiben könnte, dass ich neben dir begraben liegen wollte. Ich stellte mir mein Skelett vor, und dann deins, erschrak und wurde unruhig, mit wässrigen Augen. Du bist aufgewacht und hast gefragt, ob ich schlecht geträumt hätte. Ich bejahte. Du sagtest, alles sei gut, dabei war gar nichts gut mit mir. Ich habe dir geglaubt, bis mich die Sorgen wieder stumm und taub machten und mir mein Strahlen wieder maskenhaft erschien – du sagtest immer, du hättest nie jemanden mit so strahlenden Augen gesehen, und ich wusste nicht, ob du wusstest, was das bedeutete, wie viel Dunkelheit sich da verbarg, dass ich fertig war mit dieser Welt, längst woanders, dass ich den Glauben an die Menschen verlor, dass ich da zurückkommen wollte, nur nicht jetzt, dass mir klar war, dass es schwer werden würde, dass ich mich selbst aufs Spiel setzte, dass ich selbst nicht wusste, warum, dass ich dich liebte, dass ich verrückt wurde deinetwegen, für dich, dass wir uns verlieren müssten, dass es kein gutes Ende nehmen konnte, zumindest nicht jetzt, damals.

Wie wir stritten? Du sagtest, ich solle mich endlich frei machen von all den Verpflichtungen, ich mache mir zu viele Gedanken über die Sorgen und Probleme anderer, ich solle mich um mich selbst kümmern, ich solle schauen, wo ich bliebe – das geht nicht und das ist nicht so einfach, so bin ich eben, sagte ich, und du hast mich wütend angesehen und bist ausgerastet und hast geheult und geschrien und mir auf die Brust getrommelt und mich geohrfeigt. Ich nahm dich in den Arm, du hast dich gewehrt, ich hielt deinen Unterarm fest, wie jetzt. Ich sagte zum ersten Mal »Alles ist gut«. Du hast mir geglaubt, hast dich beruhigt, ich hatte das erste Mal gelogen. Ich spürte nichts, weil ich nicht weiterwusste mit mir selbst, weil ich die ganze Welt retten musste, weil ich ertrinken konnte dabei. Ich würde von dir getragen, ich würde zurückkommen, ich hatte es versprochen, gesagt hatte ich es nicht.

Wie du auf Isas Katze aufgepasst hast. Ich kam vorbei, wir lasen und rauchten einen Joint und liebten uns und fielen vom Bett. Wir lachten, machten auf dem Boden weiter, der Teppich warf Falten, ganz laut warst du, leidend sahst du aus und es ging dir so gut dabei. Du warst so schön, dass ich beinahe verrückt wurde und am liebsten geplatzt wäre, aus Wut auf mich selbst, und ich war weit weg. Wie wir redeten. Wie ich sagte, dass ich die Menschen nicht verstehe, ich wüsste nicht, warum wir so böse geworden seien. Du sagtest, ich wüsste das schon, könne aber nichts machen, und ich sagte, wir könnten alle was machen, und du, es seien zu wenige im Augenblick und es wird schon werden. Das schlug nieder, weil gar nichts mehr werden würde mit uns. Du sagtest, ich hätte wieder diesen leeren Blick. Ich habe dich angesehen, mein Strahlen angeknipst, und du meintest, dass du mich jetzt mehr verstehst.
    Wie ich zugab, dass ich das Ende sähe, und du lachtest schallend, weil es weder Anfang noch Ende gibt. Ich kannte dich, bevor

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