Der Club der Gerechten
fortgegangen war.
Und dann würden sie zusammen sein, nur sie beide, er und Jeff.
Ein Geräusch, so leise, dass er es fast überhörte, wehte aus der Dunkelheit herüber. Jagger erstarrte, den Schienennagel eine Spur über dem Betonboden in der Schwebe. Sein Körper kribbelte, so sehr strengte er sich an, etwas zu hören.
Das Geräusch wiederholte sich.
Schritte, irgendwo weit weg.
Schritte, die näher kamen ...
Jeff wurde immer unruhiger. Als Jinx aus der Dunkelheit auftauchte, war Hoffnung in ihm aufgewallt, war er überzeugt gewesen, dass sie tatsächlich einen Fluchtweg aus den Tunnels kannte. Doch jetzt wurde er unsicher. Auf halbem Weg zu der Nische, in der Jagger wartete, blieb er stehen und sah sie an.
»Warum tun sie es?«, fragte er.
Jinx sah ihn verständnislos an. »Warum tun sie was?«
»Die Hüter. Nennst du sie nicht so? Die Männer, die die U-Bahnstation bewachen.«
»Warum tut irgendwer irgendetwas«, entgegnete sie. Dann, bevor er antworten konnte. »Geld.«
»Hüter«, wiederholte Jeff, mehr zu sich selbst als zu Jinx. »Das klingt, als ob sie Vieh hüteten oder so.«
»Kein Vieh«, antwortete Jinx. »Kapierst du nich? Sie hüten die Beute ...«
»Das ist alles?«, unterbrach er sie empört. »Es ist ein Spiel? Es geht nur um Beute?«
Jinx warf ihm einen zornigen Blick zu. »Ja, aber die Beute bist du. Du. Du und der andere Typ. Kapierst du's wirklich nich? Für die Jäger seid ihr kein Vieh – ihr seid nur Beute. Wie Kaninchen, oder Wild – wie alles Jagdbare eben.«
Jeff war völlig benommen. »Und die Leute hier unten helfen ihnen tatsächlich?«
»Warum sollten sie nich?« Jinx zuckte mit den Schultern. »Hier unten sterben dauernd Menschen, und keiner scheißt sich drum. Meist weiß keiner nich, wer die Toten sind. Wenn man uns also dafür bezahlt, dass wir jemanden hindern, rauszukommen, was soll's?«
Misstrauisch musterte er sie. Sie konnte nicht älter als vierzehn oder fünfzehn sein, doch sie hatte eine Härte an sich, die ihm sagte, dass sie schon länger auf der Straße lebte. »Und warum sollte ich nicht glauben, dass du auch nur ein Hüter bist?«
Jinx sah ihn an, als sei er nicht recht bei Verstand. »Dazu benutzen sie nur Kerle. Große Kerle. Wie könnt ich dich von irgendwas abhalten? Jesus!« Dann fragte sie unvermittelt: »Wie sieht dein Dad aus?«
»Mein Dad?«, wiederholte Jeff. »Was hat mein Dad damit...?« Und dann begriff er. So viel war passiert, seit Tillie sie hinausgeworfen hatte, dass die leise Stimme fast vergessen war, die seinen Namen rief. »Ich hab gedacht, ich hätte ihn gehört«, sagte er leise, wie zu sich selbst. »Aber ...« Er unterbrach sich, sah Jinx aufmerksam an. Was konnte sie von seinem Vater wissen?
»In der U-Bahnstation war so'n Typ«, sagte sie und musterte ihn jetzt fast aufsässig. »Am Columbus Circle. Er hat mir 'n Foto von dir gezeigt.«
»Wie hat er ausgesehen?«, fragte Jeff, und sein Pulsschlag beschleunigte sich, obwohl es unmöglich sein Vater gewesen sein konnte. Warum sollte sein Vater ihn auch suchen? Und wenn jemand gesehen hatte, wie er sich in die U-Bahn-Tunnels geflüchtet hatte, war es viel wahrscheinlicher, dass die Polizei sein Foto herumzeigte, nicht sein Vater.
»Ich schätze, er war'n bisschen kleiner als du. Hat irgendwie auch gut ausgesehn – blaue Augen und blonde Haare.« Sie legte den Kopf schief, studierte in dem trüben Licht seine Züge. »Irg'ndwie hat er ausgesehn wie du, mein ich, von Haar und Augen abgesehn. Aber deine Augen haben die gleiche Form. Nur 'ne andere Farbe.«
»Was war mit dem Foto?«, fragte Jeff und bemühte sich, seine Aufregung unter Kontrolle zu halten.
»Es war eins von dir – nur jünger warste drauf – wie im College oder so. Du warst am Strand, in Shorts und dazu so'n Sweatshirt mit rausgerissenen Ärmeln.«
Als sie das Bild beschrieb, das sein Vater immer in der Brieftasche trug, begann Jeffs Herz zu rasen. »Was hat er gesagt?«, fragte er und bemühte sich nicht mehr, seine Stimme ruhig zu halten.
»Wollte nur wissen, ob ich dich gesehn hab«, antwortete Jinx. »Ich hab ihm grad erzählt, dass die Jäger hinter dir her sind, als ...« Jetzt stockte Jinx, holte dann aber tief Atem und ergänzte: »Na ja, die Transit Cops sind gekommen, und ich musste abhauen. Sie mögen mich nich besonders.«
Jeff hörte sie kaum. Wenn sein Vater ihn suchte – wer außer ihm suchte ihn noch? Seine Gedanken überschlugen sich, er versuchte sich ein klares Bild zu machen.
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