Der Club der Gerechten
Jedes Mal, wenn er sie anknipste, schien der Strahl schwächer zu werden. Bald würde sie ganz verlöschen.
Jeff bemühte sich, den Gedanken zu vermeiden, doch er kam immer wieder und es fiel ihm immer schwerer, ihn zu ignorieren. Er wusste, was passieren würde, wenn das Licht ganz ausging. Ihre Finger würden Kontakt mit den Wänden halten müssen, damit sie sich weitertasten konnten und das Gleichgewicht nicht verloren. Aber wie lange konnten sie das durchhalten? Wie lange würde es dauern, bis sie in einen der senkrecht nach unten führenden Schächte stolperten und in eine noch tiefere Dunkelheit abstürzten?
Vielleicht würde er es, wenn das Licht erstarb, besser finden, sich hinzusetzen, sich an die Wand zu lehnen und zu warten, bis seine Seele aus der Dunkelheit der Tunnels in das endgültige Vergessen des Todes hinüberglitt. Bis dahin wäre ihm der Tod vielleicht sogar willkommen. Er begann sich vorzustellen, dass das Licht, von dem er gelesen hatte – das Licht, das Menschen am fernen Ende des Tunnels sahen, der zum Tod führte, das strahlende Licht, das aus der Ewigkeit herunterschien –, allmählich sichtbar wurde, ihm Erlösung aus dem Dunkel bot, in dem er diese letzten Stunden verbrachte.
»Da ist es wieder«, flüsterte Jagger.
Langsam drangen die Worte in Jeffs Geist ein, durchbrachen den Nebel aus Erschöpfung, Hunger und Hoffnungslosigkeit.
Wann hatte Jagger die Führung übernommen? Vor einer Stunde? Zwei Stunden? Zehn Minuten?
Als Jagger ihn das erste Mal in der Dunkelheit gepackt und gezwungen hatte, stehen zu bleiben, wobei er etwas von einem Lichtschimmer über ihnen murmelte, hatte Jeff sich bemüht zu sehen, was sein Begleiter gesehen hatte. Aber er sah nichts, und als Jagger schneller weiterging, gewiss, dass etwas direkt vor ihnen geflackert hatte, musste Jeff sich anstrengen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Spürst du's?«, flüsterte Jagger. »Wir sind nah dran – an irgendwas.« Dann, eine Sekunde später: »Da! Vor uns! Siehst du's?« Doch trotz der Überzeugung in Jaggers Stimme hatte Jeff noch immer nichts gesehen. Er folgte Jagger trotzdem, ließ sich von ihm zu dem imaginären Leuchtfeuer führen. Was machte es schon aus, wohin sie gingen? Sie hatten sich in dem Labyrinth verirrt, und er war sicher, dass jeder Gang am Ende zu demselben Ort führen würde.
Zum Tod.
Nun, da er endlich auch ein winziges Licht sah, fragte er sich, ob es wirklich ein flackerndes Leuchtsignal in der Schwärze war oder der ersterbende Funke seiner Sterblichkeit, der im Dunkel seiner Seele glomm.
Nein, sagte er sich, ich werde nicht sterben. Noch nicht. Ich werde leben. Ich werde leben, und ich werde hier rauskommen, und ich werde frei sein.
Er straffte sich und richtete den Blick fest auf das schwache Licht...
Creeper hielt das Nachtglas vor die Augen, gerade lange genug, um sich zu überzeugen, dass die beiden Gestalten sich noch durch den trüben grünen Nebel bewegten, der ausschnittsweise in dem kleinen Okular des Glases erschien. Zufrieden ließ er das High-Tech-Gerät los, das ihm an einem Lederriemen um den Hals hing. Er brauchte es nicht. Dieser Teil des Tunnel-Irrgartens war ihm so vertraut wie der Hinterhof des Hauses, in dem er aufgewachsen war.
Die Treiber hatten heute Abend gute Arbeit geleistet – die beiden Männer waren genau da, wo sie sein sollten. Noch ein paar Minuten, dann war es für Creeper Zeit, zu übernehmen.
Sogar durch das Glas hatte er erkannt, dass diese beiden Männer sich von den anderen ein wenig unterschieden.
Vielleicht nur deshalb, weil es diesmal zwei waren. Bisher war es immer nur einer gewesen, und wenn Creeper den »gefunden« hatte, war er gewöhnlich schon in einem so jämmerlichen Zustand, dass Creeper ihn fast ins Camp tragen musste. Gewöhnlich redeten sie mit sich selbst. Einmal hatten die Treiber jemand so lange in der Finsternis umherirren lassen, dass er, als Creeper ihn erreichte, wahnsinnig geworden war und etwas von Ungeheuern und Dämonen plapperte. Creeper hatte seine Pflicht getan und ihn ins Camp gebracht, doch der Mann hatte so lange in die Nacht hinein geschrien, dass Willie es am Ende nicht mehr ertragen und ihn zum Schweigen gebracht hatte.
Am nächsten Morgen musste Creeper sich auf die Suche nach zwei Treibern machen, die den Kerl an die Oberfläche transportieren sollten, bevor er anfing zu stinken. Sie warfen ihn auf die Gleise am Riverside Park, und nachdem der erste Zug ihn überrollt hatte, konnte niemand mehr
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