Der Club der Gerechten
sie nicht immer wieder verscheucht.
Auch das kotzte sie an. Als der Cop das erste Mal vorbeigekommen war, hatte sie zu ihm gesagt, sie warte nur darauf, dass die Bibliothek öffnete.
»Aber ja, aber klar, Jinx«, hatte er die Augen rollend gesagt. »Was für'n Spiel soll das werden? Willste die alten Opas im Lesesaal beklauen? Hab Erbarmen mit mir!«
Jinx hatte sich beherrscht. Sie durfte Paulie Hagen jetzt auf keinen Fall gegen sich aufbringen, denn das konnte sie absolut nicht brauchen. Wenn er anfing sie zu schikanieren, konnte er sie den größten Teil des Tages im Revier festhalten, wo sie einen Haufen Formulare ausfüllen und mit den Leuten von der Wohlfahrt reden musste. Also schüttelte sie seinen Sarkasmus einfach ab und entfernte sich in Richtung Madison Avenue. Sie wusste, dass Paulie ihr so weit nicht folgen konnte, und da er kaum einmal auf die East Side hinüberging, kannten die meisten Cops sie dort nicht. Sie hatte sich über Paulie so geärgert, dass sie ihn angerempelt und ihm die Brieftasche so unauffällig geklaut hatte, dass der arme Trottel nur eine Entschuldigung murmelte, während er weiter in sein Mobiltelefon hineinsprach. Dass seine Brieftasche nicht mehr da war, würde er wahrscheinlich erst merken, wenn er seinen Lunch bezahlen wollte, und bis dahin würde er sich nicht mehr daran erinnern, dass jemand ihn angerempelt hatte. Das war das Großartige an Mobiltelefonen – sie lenkten die Leute so ab, dass sie meistens dachten, sie wären mit Jinx zusammengestoßen, nicht umgekehrt.
Immer wieder wanderte sie zur Bibliothek Ecke Fifth und Forty-second zurück und hoffte wider besseres Wissen, sie würden heute Morgen früher öffnen. Ein wenig Zeit schlug sie damit tot, Touristen zu beobachten, die sich gegenseitig vor den Marmorlöwen fotografierten, die vor dem Gebäude saßen. Dann blätterte sie in einer Daily News, die jemand in den Abfallkorb an der Ecke geworfen hatte. Zweimal musste sie die Straßenseite wechseln, als sie Hagen vom Bryant Park die Straße herunterkommen sah. Warum nur blieb er nicht drüben auf dem Times Square, wohin er gehörte?
Wenigstens war sie jetzt nicht mehr die Einzige, die wartete – ein halbes Dutzend Leute stand herum. Ein weißhaariger Typ in einem Anzug, der noch älter aussah als er selbst, schaute ständig auf seine Uhr, und ein unangenehm aussehender Mensch ging auf und ab und warf immer wieder nervöse Blicke in Richtung Bryant Park.
Exhibitionist, dachte Jinx.
Sie hatte recht gehabt, denn als Paulie Hagen auftauchte, flüchtete der Mann wie ein erschrockenes Kaninchen.
Genau in dem Augenblick, in dem Hagen sie entdeckte und herüberkam, um sie von der Treppe zu verscheuchen, hörte sie hinter sich ein metallisches Klicken, und die schwere Metalltür schwang endlich auf. Einem, wie sie genau wusste, kindischen Impuls nachgebend, streckte sie Hagen die Zunge heraus, machte kehrt und flitzte in die riesige Lobby der Bibliothek; und nach links, wo zwei Frauen hinter einem Informationsschalter standen. Als Jinx darauf zuging, blickte eine der beiden Frauen auf. Das Lächeln verging ihr, als sie Jinx' schäbige Kleidung sah, und Jinx fragte sich, ob man sie aus der öffentlichen Bibliothek hinauswerfen würde. »Wohin muss ich, wenn ich etwas in einer alten Ausgabe der New York Times nachsehen will?«, fragte sie.
»Wie alt?« entgegnete die Frau. »Wir haben sie bis 1897.«
»Nur vom letzten Frühjahr. Mai oder Juni.«
»Raum Hundert«, erklärte die Frau und zeigte nach rechts. »Dort lang und dann die erste links. Dort ist es der letzte Raum auf der rechten Seite. Die Ausgaben sind in den Aktenschränken für Mikrofiches.«
Nicht ganz sicher, was die Frau meinte, marschierte Jinx den Korridor entlang, fand den Raum und ging hinein. Mehrere große Blocks aus Aktenschränken nahmen den größten Teil des Raumes ein, und dahinter sah Jinx eine Menge Tische und darauf Apparate mit großen Bildschirmen. Vor einem dieser Apparate saß der weißhaarige Mann in dem uralten Anzug, und Jinx beobachtete ihn aufmerksam, als er aus einer Schachtel eine Filmrolle nahm und die Spule auf eine Spindel steckte.
Was der kann, kann ich auch, dachte Jinx.
Sie ging zu den Aktenschränken und sah, dass die einzelnen Schubladen mit Daten versehen waren. Sie fand das, was sie suchte, in Schrank 41, zog die Schublade auf und starrte auf die Reihe von Schachteln mit Filmrollen, von denen jede, einen bestimmten Zeitraum umfassend, genau beschriftet war. Sie nahm
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