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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Gefühle – drohte sie zu überwältigen. Als sie durch das wuchtige Portal die St. Patrick's Cathedral betrat, war jeder Nerv ihres Körpers zum Zerreißen gespannt. Sie blieb vor dem Weihwasserkessel stehen, tauchte die Finger ins Wasser und beugte die Knie. Sofort begann der riesige, stille Raum der Kathedrale sie zu beruhigen. Obwohl viele Leute um sie herum waren – Touristen, die fotografierten, da und dort in den Kirchenbänken und vor den Altären reuige Sünder knieten –, dämpfte das mächtige Bauwerk ihre Stimmen zu einem beschwichtigenden Murmeln. Der Friede, den sie in der Kirche immer gefunden hatte, begann ihre Nerven zu beruhigen und brachte das Chaos in ihrem Kopf zum Schweigen.
    Die Marienkapelle.
    Dort würde, wie Pfarrer Benjamin ihr gesagt hatte, die Messe gelesen werden. »Sie liegt am anderen Ende der Kathedrale – intim, sehr schön.« Als sie durch das lange Seitenschiff auf der linken Seite ging, vorbei an den Schaukästen mit den Dokumenten, in denen die Geschichte der Kathedrale festgehalten war, vorbei an den Nischen mit den Bildern der Heiligen, wurde das zarte Pflänzchen inneren Friedens stärker in ihr und sicherer, bis die Stimme, die sie im Telefon gehört hatte – die Stimme, die unmöglich Jeffs Stimme gewesen sein konnte –, endlich verstummte. Als sie am Altar vorüberkam, dröhnten die ersten Akkorde von Bachs Toccata und Fuge in d-Moll hallend durch die Kathedrale, die Töne so tief, dass sie sie nicht nur hörte, sondern auch fühlte.
    Schließlich kam sie ans Ende des Ganges, wandte sich nach links und fand die Marienkapelle, die sich wie ein kleines Schmuckkästchen vor ihr öffnete.
    Es gab nur zwölf Bankreihen, durch einen einzigen Mittelgang getrennt. Beherrscht wurde die Kapelle von einer großen Statue der Heiligen Jungfrau, deren Kopf leicht geneigt war, so dass ihre Augen auf den Kirchenbänken zu ruhen schienen. Die Statue war aus weißem Stein gehauen, und der Altar war ebenfalls weiß.
    Die Bänke waren leer, und einen Moment lang hatte Mary das schreckliche Gefühl, dass etwas schief gegangen war – dass sie den Leuten eine falsche Zeit genannt hatte oder vielleicht selbst am falschen Ort war. Doch dann schaute sie auf ihre Uhr und verstand.
    Sie war fast zwei Stunden zu früh gekommen.
    Sollte sie wieder gehen? Aber wenn sie ging, wohin sollte sie dann?
    Sie bekreuzigte sich, schlüpfte dann in eine Kirchenbank und fiel, den schmerzhaften Protest ignorierend, auf die Knie.
    Unklar wurde sie sich der Stimmen eines Knabenchors irgendwo hinter ihr bewusst, die durch die riesige Kathedrale hallten. Sie faltete die Hände und schaute der jungfräulichen Mutter Gottes in die Augen.
    Hast du so empfunden?, fragte sie lautlos. Hast du diesen Schmerz empfunden, als du dein Kind am Kreuz sterben sahst?
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und die Statue vor ihr verschwamm. Aber als sie der Mutter Gottes weiter ins Gesicht schaute, schien die Statue ihr zuzulächeln. Es war ein liebevolles, sanftes Lächeln, das endlich die letzte Pein von ihr nahm, die sie seit dem Telefonanruf am Morgen gequält hatte, und als nun die Stimmen der singenden Knaben im Hintergrund jubelnd himmelwärts stiegen, flüsterte eine andere Stimme in Marys Kopf.
    Glaub...
    Mary erstarrte, und ihre Finger krampften sich ineinander, bis ihre Haut so bleich war wie der Stein der Statue. Ihr Blick wurde klar, und sie sah das Gesicht der Heiligen Jungfrau wieder deutlich. Jetzt schien sie Mary Converse direkt anzusehen, und ihr Lächeln hatte etwas Geheimnisvolles.
    Glaube, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf. Glaube...
    Die Stimme verstummte mit den letzten Noten des Chors, und Mary wurde von einer Ruhe eingehüllt, wie sie sie noch nie empfunden hatte.
    Dann, als komme sie von weit, weit her, hörte sie eine andere Stimme.
    »Ich bin es, Mom«, flüsterte die Stimme.
    Jeffs Stimme, unverkennbar.
    »Ich bin nicht tot, Mom.
    Ich lebe. Ich lebe ...«
    Als Jeffs Stimme verstummte, stand Mary auf und ließ sich auf die Bank sinken.
    Sie blickte zu dem gelassenen Gesicht der Jungfrau auf, betrachtete den perfekt geformten Stein. Die Augen schienen sie nicht mehr direkt anzuschauen, und das Lächeln hatte sein Geheimnis verloren, aber die Worte, die sie gehört hatte, hallten ihr noch immer durch den Kopf. Endlich beantwortete sie sie mit ihren eigenen Worten.
    »Es ist das Zeichen, auf das ich gewartet habe«, flüsterte sie vor sich hin. »Ich glaube ...«
    Sie stand auf. Die Schmerzen in den

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