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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Knien und die Erschöpfung ihres Körpers vergessend, eilte sie den Weg zurück, den sie gekommen war, stürmte durch das Portal der Kathedrale ins Freie, rannte die Stufen hinunter und riss die Tür des ersten Taxis auf, das sie sah. »Broadway«, sagte sie. »Ecke Hundertneunte.«
     
    Tillie fing an sich zu fragen, ob etwas schief gegangen war. Sie saß jetzt seit fast anderthalb Stunden im Park – hatte ein halbes Dutzend Leute gefragt, wie spät es war, und obwohl drei nicht einmal zur Kenntnis genommen hatten, dass sie da war, geschweige denn bereit gewesen waren, ihr die Uhrzeit zu nennen, hatten die drei anderen übereinstimmend gesagt, es sei schon fast elf. Sie war auch sicher, dass es Samstag war, und nicht nur, weil sich mehr Leute als gewöhnlich im Park aufhielten, sondern auch weil sie das Datum in der Zeitung nachgeprüft hatte, die ein Mann auf der Nebenbank las.
    Wenn also Zeit und Tag die richtigen waren, wo blieb dann Miss Harris?
    Tillie war sicher, sich nicht geirrt zu haben – sie war ja nicht halb verrückt wie Liz Hodges. Außerdem hatte sie Miss Harris erst gestern gesehen, und sie hatte gesagt, sie solle genau hier auf sie warten – um halb neun auf dieser selben Bank. Tillie hatte darauf geachtet, nicht zu spät zu kommen. Nicht weil Miss Harris dann böse gewesen wäre – Miss Harris schien nie auf jemand böse zu sein – und auch nicht wegen des Geldes. Tillie war pünktlich, weil sie wusste, dass Miss Harris eine vielbeschäftigte Frau war – mehr noch als die meisten Oberflächen-Menschen zu sein schienen –, und außerdem mochte sie sie ganz einfach.
    Bis heute Vormittag war Miss Harris noch nie zu spät gekommen.
    Dennoch, Tillie war bereit, den ganzen Tag zu warten, wenn es sein musste. Es war ja nicht so, dass sie etwas anderes zu tun gehabt hätte, jedenfalls nicht bevor Robbys Schulstunden vorüber waren.
    Hinzu kam, dass es ein schöner Tag war und es nicht mehr viele schöne Tage geben würde, bis es draußen zu kalt wurde und sie sich zum Überwintern ganz in den Tunnel zurückziehen musste.
    Wie ein Bär, der sich zum Winterschlaf verkriecht, dachte sie. Vielleicht verwandelte sie sich langsam in eine alte Bärin, die sich den Winter über zusammenrollte. Bei dem Gedanken musste sie laut lachen, doch ein junges Paar, das einen Kinderwagen vorbeischob, warf ihr einen Blick zu, der ihr Lachen im Keim erstickte. Das war etwas, das Tillie an dem Leben hasste, das sie führte – sie wusste, dass die meisten Leute sie für verrückt hielten. Kurz überlegte sie, ob sie sich nicht den Spaß erlauben sollte, sich so zu benehmen, dass das junge Paar sie wirklich für verrückt halten rnusste, doch dann sah sie Jinx mit kriegerischer Miene auf sich zukommen.
    »Du hast gesagt, die Jäger sind nur hinter Verbrechern her«, begann Jinx gepresst, mit funkelnden Augen.
    Tillie runzelte die Stirn. Was meinte das Mädchen? »Natürlich, das ist auch so.«
    »Diesmal nicht«, entgegnete Jinx mit lauter werdender Stimme.
    »Willst du mir sagen, worüber du sprichst, oder willst du nur hier stehen und rumschreien?«
    »Jeff Converse«, sagte Jinx, und ihre Stimme wurde noch lauter. Tillie sah sich, als sie den Namen hörte, hastig um. Niemand schien Jinx gehört zu haben, wenigstens bis jetzt nicht, aber man sprach an der Oberfläche nicht über die Jäger – tatsächlich sprachen die meisten Leute überhaupt nicht über sie. Tillie nahm Jinx am Arm. »Jetzt beruhige dich«, sagte sie und schaute sich ein letztes Mal nach Eve Harris um. Da sie nicht zu sehen war, beschloss Tillie, nicht länger zu warten und ging, Jinx' Arm noch immer fest umklammernd, auf den Fluss zu; das Mädchen zerrte sie am Arm mit.
    »Lass mich los«, sagte Jinx und versuchte Tillies Arm abzuschütteln.
    Aber Tillie hielt sie fest, und ein paar Minuten später hatten sie das Baseball-Feld umrundet, das auf einem Plateau über dem Fluss lag, und waren durch ein unauffälliges Loch gekrochen, das in den hohen Zaun geschnitten war, der Park und Eisenbahngleise trennte. Mehr als zwanzig Männer waren über das von Unkraut überwucherte Gelände verteilt, alle in der aus mehreren Schichten bestehenden Kleidung, die für die Obdachlosen typisch war. Die meisten saßen in Zweier-oder Dreigruppen beisammen, aber ein paar standen wie Wachen da, mit dem Rücken an den verrottenden Betonpfeilem lehnend, die den Highway trugen – beinahe eine Parodie der Wachen vor dem Buckingham Palace.
    Tillie nickte den meisten Männern

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