Der Club der Lust
Daumery
ihr
nun anbieten würde, sie zu bestechen? Wie würde sie darauf wohl reagieren? Positiv vielleicht, wenn dieSumme entsprechend hoch wäre? Würde sie schwach werden und ihre journalistischen Prinzipien über Bord werfen?
Welche Prinzipien?, dachte sie und lachte laut auf. Eine Heldin war sie nie gewesen, und außerdem würden in diesem Fall beide Seiten profitieren. Mit dem Geld könnte sie freiberuflich arbeiten oder endlich den Roman schreiben, den sie schon mehrfach angekündigt hatte, sich einfach dem Fluss der Ereignisse anpassen, in eine völlig neue Position aufsteigen und die Vorteile genießen. Außerdem hatte sie bei ihrer Story sowieso von Beginn an nur an sich gedacht und nicht etwa an das Gemeinwohl. Natalie war genauso selbstsüchtig wie alle anderen auch – wenn nicht sogar noch schlimmer.
«Meine Güte, das muss am Alkohol liegen», murmelte sie vor sich hin und sprang auf, um nachzusehen, was in dieser Ginflasche eigentlich drin war. Da musste doch jemand eine besondere Zutat eingerührt haben, ein Halluzinogen oder eine Art Wahrheitsdroge. Aber nein, es handelte sich um nichts weiter als guten, reinen Gin.
Während sie sich noch einen kleinen Schluck eingoss, hörte sie auf einmal weich tapsende Schritte aus dem Flur.
Wieso tue ich das nur?, fragte Alex sich, als er nur mit einem Baumwollbademantel bekleidet das Wohnzimmer betrat. Die ganze Anzuggeschichte war nichts weiter als ein Vorwand gewesen. Wenn der Regen tatsächlich irgendeinen Schaden angerichtet hätte, wäre seine Spezialreinigung schon damit fertig geworden. Schließlich hatte er sich auch bei ihrer Nummer im Van nicht weiter um den guten Anzug geschert, den er zu der Zeit getragen hatte.
Es ging also um Sex – und darum, dass er immer noch mit einer Frau schlafen konnte, obwohl ein Mann ihn gefickt hatte. Na ja, eine Art Mann …
Mit einem «Hi» betrat er das Wohnzimmer und bemerkte sofortNatalies Blick, als sie seinen Aufzug sah. «Entschuldige …», sagte er auf den Bademantel deutend, «ich dachte, ich hänge den Anzug lieber auf und gehe erst mal unter die Dusche. Es war so schwül heute. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.»
«Nein, nein, überhaupt nicht.»
Natalie klammerte sich an ihren mittlerweile zweiten Drink und hatte einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Sie schien von innen zu glühen und fast befriedigt zu sein, dass er so offenherzig gekleidet zurück ins Zimmer kam. Was zum Teufel hatte sie nur getrieben oder gedacht, während er nebenan war?
«Ich glaube, ich nehme auch einen Drink», sagte er und fragte sich, ob er wohl einen Fehler gemacht hatte. Die Atmosphäre zwischen den beiden war angespannt, vorsichtig gesagt. Als sie sich das letzte Mal begegnet waren, hatte er gerade Sex mit zwei Frauen in dem Privatzimmer im
Fontayne’s
gehabt.
«Ich schenk dir einen ein.» Natalie schien ganz erpicht darauf zu sein, irgendetwas zu tun zu haben.
Nachdem sie sich mit ihren Gläsern nebeneinander auf die Couch gesetzt hatten und sich ansahen, mussten auf einmal beide lachen.
«Da kennen wir uns jetzt weniger als eine Woche und haben schon eine gemeinsame Geschichte!», sagte Natalie und erhob ihr Glas.
«Auf die gemeinsame Geschichte», erwiderte Alex und stieß mit ihr an.
«Meinst du, es liegt an diesem Ort? Redwych, meine ich … Hier hat sich wirklich einiges verändert. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass es früher auch schon so eine Brutstätte von Verdorbenheit und Korruption war.»
«Vielleicht liegt es daran, dass du damals nicht danach gesucht hast.»
«Stimmt. Ich war wirklich der Meinung, hier wäre rein gar nichts los. Deshalb bin ich ja weggezogen.»
«Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist.»
Natalie lachte erneut und schüttelte den Kopf. Diese entspannte Geste schien alles, was in den letzten Tagen zwischen ihnen passiert war, zusammenzufassen und es mit einem «C’est la vie» abzutun.
«Und woher kennst du Steven Small nun?»
Uff! Die Entspannung ließ wieder ein kleines Stückchen nach, denn Alex konnte ihr die Geschichte erst erzählen, wenn er die Erlaubnis dazu hatte.
«Ich habe ihn bei irgendeiner blöden Feier in der
St. Crispin-
Schule kennen gelernt, über die ich berichtet habe. So eine Veranstaltung, wo nur Käse und Wein angeboten wird … Na ja.» Das stimmte sogar. «Er war dort damals Aushilfslehrer, und wir sind ins Reden gekommen, weil er genauso gelangweilt und genervt aussah wie ich. Wir sind dann einfach abgehauen,
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