Der Club der Serienkiller
finster an. Dann kratzt er sich erneut. Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht erinnern, dass er auch nur einmal geduscht hat, seit er sich bei mir einquartiert hat.
Er hat immer noch sein unheilvolles Grinsen auf dem Gesicht, als er sagt: »Ich kann ihn förmlich riechen.«
Später, als Agent Wade bei einem Horrorfilm im Spätprogramm eindöst - der Film jagt mir eine Heidenangst ein, ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass mir im Schlafzimmer jemand auflauert -, werfe ich einen verstohlenen Blick in seine Jacke, die über der Küchentür hängt. Behutsam nehme ich die Brieftasche und seine Dienstmarke heraus und stoße weiter unten auf ein paar unbenutzte Servietten von Kentucky Fried Chicken. Sowie auf einen Block mit Stift vom FBI und eine frische Packung Kaugummi. Ich vergewissere mich kurz, ob er auch wirklich schläft, dann schleiche ich in die Küche und lege die Sachen in die schmutzige Spüle.
In der Brieftasche sind mindestens 800 Dollar, und ich kann es nicht fassen, dass Agent Wade
mich immer noch für alles zahlen lässt. Zum Ausgleich nehme ich mir drei Zwanziger heraus. Dann stoße ich auf sechzig Quittungen für Motelübernachtungen und Benzin. Sie stammen aus allen Ecken des Landes, die älteste wurde vor acht Monaten ausgestellt. Offensichtlich hebt er sie für seine Spesenabrechnung auf. Agent Wade scheint in dieser Zeit den ganzen mittleren Westen bereist zu haben, und mir fällt ein, dass die Kilometeranzeige in seinem Wagen auf gut über achtzigtausend stand. Er hat eine Menge Zeit und Kilometer investiert, um mich aufzuspüren.
Ich überprüfe die FBI-Marke, an ihrer Echtheit besteht kein Zweifel. Die Servietten scheinen harmlos zu sein, bis ich bemerke, dass er auf jede Rückseite eine Zahl geschrieben hat. Aufeinanderfolgende Zahlen von 286 bis 295. Jede ist mit roter Tinte geschrieben.
Zunächst werde ich nicht schlau daraus, doch als ich seine Kaugummis auspacke und mir einen Streifen in den Mund schiebe, läuft mir plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken, und gleich darauf noch einer. Und noch einer. Als wäre etwas Furchtbares geschehen.
Erneut werfe ich einen Blick auf die Zahlen. Und mir fallen die Erfrischungstücher mit Zitronenduft ein, das unablässige Verlangen nach Lebensmitteln von Kentucky Fried Chicken. Jetzt kriege ich kaum noch Luft. Seit meinem ersten Abend im Club habe ich mich nicht mehr so gefürchtet.
Da ertönt aus dem Wohnzimmer ein markerschütternder Schrei. Ich zucke so heftig zusammen, dass ich die Brieftasche fallen lasse. Als ich
mich umdrehe, sehe ich, dass der Horrorfilm noch läuft. Ich halte den Atem an, um zu lauschen, ob Agent Wade wach geworden ist, und bin unendlich erleichtert, als ich nichts höre - er liegt regungslos auf dem Sofa. Rasch hebe ich die Brieftasche wieder auf.
»Dougie...?«, ruft Agent Wade da aus dem Wohnzimmer. Ich schnappe mir die Sachen und stopfe sie mir schnell in die Tasche. Ich spucke sogar den Kaugummi quer durch die Küche, nur falls er weiß, wie sie riechen.
Da erscheint Agent Wade in der Türöffnung; er gähnt mit verschlafenem Blick. »Wo ist die Schuhcreme?«
»Die was?«
»Die Schuhcreme...«
Agent Wade schlurft auf mich zu, und mein Puls schnellt in die Höhe - dann greift er an mir vorbei nach dem Wasserhahn. Um sich zu erfrischen, dreht er das kalte Wasser auf und hält seinen Kopf unter den Hahn. Als er damit fertig ist, wirft er mir einen verächtlichen Blick zu.
»Die Spüle ist ekelhaft, Dougie.«
Ich nicke und halte den Mund, damit er das Zittern in meiner Stimme nicht hört.
»Ich möchte mich darin spiegeln können.«
Ich nicke erneut.
Agent Wade gähnt noch mal, streckt sich und knackt mit den Schultern. Ein wirklich furchtbares Geräusch, das mir durch Mark und Bein geht.
»Dann wollen wir mal, los, komm.«
»Was, wohin?«
»Wir müssen am Ball bleiben, Dougie.«
»Schon wieder ein Mord?«
»Ja, ich kann’s gar nicht abwarten. Der Kentucky Killer hat mich ganz heißgemacht.«
»Es ist ziemlich spät.«
»Der ideale Zeitpunkt, um zuzuschlagen. Also, hol die Schuhcreme. Wird Zeit, dass ich auch ein bisschen Spaß habe.«
Mit diesen Worten schlendert Agent Wade aus der Küche und gibt mit den Schultern erneut dieses scheußliche Knacken von sich.
Sobald er verschwunden ist, drehe ich den Kaltwasserhahn auf und trinke so viel Wasser wie ich kann. Ich kann gar nicht mehr aufhören. Ich bin so ausgetrocknet, dass nicht mal der gesamte Lake Michigan meinen Durst löschen
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