Der Club der Serienkiller
könnte. Drei Wörter geistern mir die ganze Zeit durch den Kopf. In einem ohrenbetäubenden, gleichmäßigen Rhythmus: Erfrischungstücher mit Zitronenduft. Erfrischungstücher mit Zitronenduft. Erfrischungstücher mit Zitronenduft.
Eine halbe Stunde später stecken wir beide in schwarzen Klamotten. Mit einem Taschentuch trägt Agent Wade schwarze Schuhcreme auf meine Wangen, meine Nase und meine Stirn auf. Ich komme mir vor wie ein Marine vor einem mitternächtlichen Überraschungsangriff. Als Agent Wade fertig ist, reicht er mir die Schuhcreme.
»Pass bloß auf. Ich will nichts davon in die Augen kriegen.«
Ich zögere, denn mir war bis jetzt nicht klar, dass ich nun ihn einschmieren soll.
»Mach schon, Dougie... aber pass auf die Augen auf, okay?«
Ich fühle mich nicht wohl, während ich das Taschentuch in die Schuhcreme tupfe und anfange, Agent Wade damit einzureiben. Doch schließlich trete ich zurück, um mein Werk zu begutachten. Agent Wades Augen wirken in der schwarzen Fläche noch eindringlicher und hypnotischer.
»Wie sehe ich aus?«
»Wie ich.«
Ich zögere, und Agent Wade merkt, dass ich beunruhigt bin.
»Was ist los?«
»Warum kommen Sie mit?«
»Warum nicht?«
»Ich meine, Sie müssen sich doch nicht auch schwarz anmalen, oder?«
»Aber sicher.«
»Warum?«
»Das ist Vorschrift, Dougie. Vorschrift.« Agent Wades weiße Zähne grinsen mich grell an. »Wir können doch nicht zulassen, dass du die ganzen Lorbeeren erntest, oder?«
Ich habe keine Ahnung, was ich darauf antworten soll. Beim besten Willen nicht.
Draußen ertönt die Hupe eines Wagens. Und Agent Wade wirft einen Blick auf seine Uhr. »Das wird unser Taxi sein.«
Das Taxi wird von einer Frau gesteuert, die vor zwanzig Jahren vielleicht Aussehen und Statur eines Supermodels hatte. Die Zeit ist nicht spurlos an ihr vorübergegangen, und ich versuche unsere
Fahrt für sie in eine schöne Erinnerung an ihre besten Jahre zu verwandeln.
»Wissen Sie, Sie könnten glatt als Mutter eines Supermodels durchgehen.« Die Taxifahrerin ist offenbar zu schüchtern, um zu antworten. »Ehrlich. Das könnten Sie wirklich. Ich sag das nicht bloß so.«
Die Taxifahrerin mustert uns im Rückspiegel, sagt aber immer noch keinen Ton. Ich beuge mich vor und werfe ihr einen freundlichen Blick zu, jedenfalls soweit das unter der ganzen Schuhcreme möglich ist. »Hören Sie, ich habe über diese neue Wissenschaft gelesen. Nanotechnologie. Damit kann man alle Körperstellen, die einem nicht mehr gefallen, ausbessern lassen. Wissen Sie, all die kaputten, kleinen Moleküle in Ihrem Körper... Angeblich kriegt man das in fünf oder sechs Jahren ganz normal im Laden.« Ich schenke ihr ein breites, freundliches Grinsen. »Also, wissen Sie, wenn Sie so lange durchhalten... tja, wer kann das voraussagen, was? Ich werd Sie auf jeden Fall anrufen.«
Die Taxifahrerin dreht sich immer noch nicht um, sondern zieht es vor, meinen Worten mit stummer Andacht zu lauschen, was ich mit einem verständnisvollen Lächeln quittiere, während ich mich auf meinem Sitz zurücklehne. Agent Wade äugt kurz zu mir herüber.
»Du kannst wohl nicht anders, was? Musst jede Frau anbaggern.«
»Tja...« Ich zucke mit den Achseln, kann allerdings einen leichten Anflug von Arroganz in meinem Blick nicht verbergen.
»Bei dir kann man wirklich was lernen.«
Die ganze Fahrt über wirft die Taxifahrerin immer wieder einen Blick in den Rückspiegel. Natürlich will sie wissen, warum wir uns mit Schuhcreme eingeschmiert haben, aber ebenso klar ist, dass sie meine Telefonnummer haben möchte und nur zu schüchtern ist, um danach zu fragen. Ich erlaube mir, sie auf den Ein-Dollar-Schein zu schreiben, den ich ihr als Trinkgeld gebe. Um sicherzugehen, dass sie sie nicht übersieht, reiße ich den Schein in der Hälfte durch und gebe ihr lediglich den Teil mit der Nummer.
»Nano, Nano.« Ich grinse und zwinkere ihr zu, bevor ich mich umdrehe, um Agent Wade einzuholen, der auf Chers Haus zumarschiert.
Chers Kindheit zerfällt im Wesentlichen in zwei Abschnitte. Abschnitt A umfasst die Zeit, bevor ihr geliebter Onkel Ernst aus dem Gefängnis entlassen wurde. Und Abschnitt B die Phase, nachdem der gute, alte Onkel Ernst wieder Teil der Gesellschaft wurde und von einem wütenden Mob überwältigt und für ein Verbrechen gehängt wurde, dass er vielleicht begangen hat oder auch nicht. Im reifen Alter von acht Jahren wurde Cher Zeugin des Vorfalls. Seit jenem Tag ist sie unterwegs, um die
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