Der Club der Serienkiller
Betty irgendwie herausquetschen, um sie an meiner Seite zu haben. Doch sie lässt sich nicht blicken, also werfe ich das Handy beiseite und schaue auf den
Kilometerzähler. Ich fixiere die Anzeige, während die Kilometer monoton vorbeiziehen, vom zweiin den dreistelligen Bereich, und immer weiter, bis sie die Tausendermarke überschreiten.
Als ich Chicago erreiche, weiß ich überhaupt nicht, wohin ich fahren soll. Agent Wade kann ich auf jeden Fall nicht unter die Augen treten, und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich mich im Club blicken lassen soll. Als ich den Hafen erreiche, liegt das Meer ruhig vor mir, und die Sonne hat die Wolken durchbrochen, wohl zum ersten Mal seit zehn Jahren.
Die Luft ist von einer elektrisierenden Stimmung erfüllt, und als ich das Wachhäuschen passiere, steigt mir der Duft warmer Bagels in die Nase. Allerdings könnte es auch der nach verbrannten Füßen sein. Ich mache mir nicht die Mühe, nachzusehen.
Burts Hausboot, die Lehrer, liegt verlassen und knarzend in der ruhigen Strömung. Erschöpft schleppe ich mich an Bord, suche seine Koje auf und lasse mich mit dem Gesicht nach unten hineinfallen. Ich bin in der Hölle gelandet, und ich habe keine Ahnung, wie ich ihr je wieder entrinnen soll.
SPIELCHEN
Als ich wieder zu mir komme, höre ich den Klang einer vertrauten Stimme. Ich öffne die Augen, um mich zu orientieren, und blicke direkt in das Gesicht des Fernsehpsychologen, der mich unverwandt anstarrt. Von Burts kleinem Schwarzweiß-Fernseher aus.
Kurz darauf verschwindet sein Gesicht, und es wird auf eine Zeichnung von einer Person auf einem Sofa geschnitten. Sie hat eine Packung von Kentucky Fried Chicken auf dem Kopf. Dann erscheint wieder der Psychologe auf dem Bildschirm und schüttelt langsam und ernst den Kopf.
»Opfer dreihunderteins.« Sie blenden eine Aufnahme von James’ Geliebter ein, dem Skelett samt Unterwäsche und knielangen Stiefeln, während der Psychologe kommentiert: »Was ist nur aus Amerika geworden?«
Wieder im Bild, schüttelt er bedeutungsvoll den Kopf. »Konzentrieren wir uns zur Abwechslung mal auf das Opfer. Vergessen Sie für einen Moment, dass es vom Kentucky Killer getötet wurde, und fragen Sie sich ehrlich, was für ein Mann das ist - immerhin ein Anwalt -, der ein Skelett
zurechtmacht und es mit ins Bett nimmt. Und dann stellen Sie sich vor, dass dieser Mann vielleicht den Tod verdient hat, dass unsere sauberen Freunde von der Spurensicherung es haben aussehen lassen, als wäre er ein berüchtigter Serienmörder -«
Eine Hand greift herüber und schaltet den Fernseher aus. Beim Anblick von Agent Wade, der mir eine Tasse Kamillentee anbietet, sitze ich schlagartig aufrecht.
»Dachte mir, dass du hier bist.«
Mein Herz schlägt Purzelbäume, und ich kann die Tasse kaum halten, ohne sie über mir auszuschütten.
»Erst hab ich’s im Zoo versucht, dann hab ich mich gefragt, wo würde ich an Dougies Stelle hingehen?« Agent Wade kaut an einem Nagel herum, beißt ihn ab und spuckt ihn aus. »Ich sehe, du hast Sinn für Humor.«
»Wie bitte?«
»Die Packung von Kentucky Fried Chicken auf James’ Kopf. Sehr lustig.«
»Das war ich nicht.«
»Dougie...«
»Ich hab ihn so gefunden.« Ich habe keine Ahnung, warum Agent Wade diese Spielchen mit mir spielt. »Ehrlich, ich schwör’s.«
Agent Wade blickt mich an, als würde er nur drauf warten, dass ich ihn gleich unbeherrscht angrinse, weil ich einen Witz gemacht habe, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis ich mich zu erkennen gebe.
»An seine Stirn war sogar eine getippte Nachricht
getackert. ›Hi, Dougie.< Ich hätte die wohl kaum dort angebracht.«
»Sie wurde im Fernsehbericht nicht erwähnt.«
»Vielleicht haben sie’s vergessen.«
»So eine Nachricht wäre doch der Aufmacher gewesen: ›Kennt jemand einen Dougie?‹«
»Er wurde von jemand anders umgebracht.« Ich gebe mir große Mühe, meinen Standpunkt zu verdeutlichen, während ich die Tasse mit dem Kamillentee abstelle. Kamille? Ich starre auf die Tasse, als befände sich eine Schlange oder etwas Ähnliches darin. Wo, zum Teufel, hat Agent Wade den Teebeutel her? Er muss in James Masons Wohnung gewesen sein.
Agent Wade sitzt am Ende der Koje - neben meinen Füßen -, und es gefällt mir überhaupt nicht, ihm so nahe zu sein. Er zieht eine Zeitung hervor und wirft sie mir herüber. Ich hebe sie auf, sie ist bei den Kontaktanzeigen aufgeschlagen. In der oberen Hälfte stehen ausschließlich Inserate einsamer Männer,
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