Der Club der Teufelinnen
eine andere Frau den Hörer abheben.
»Ich ruf ihn an deiner Stelle an«, schlug Brenda vor, die Annies Zögern spürte.
»Würdest du das tun?«
»Aber klar. Es wird mir ein Vergnügen sein, diesen Schlappschwanz zu so früher Stunde hochzubringen.«
Brenda nahm es Aaron übel, daß er Annie verlassen hatte, aber Annie wollte so weit nicht gehen. Und im geheimen hegte sie immer noch Hoffnungen. Vielleicht würde Cynthias Tragödie sie ja wieder zusammenbringen.
»Dank dir, Brenda. Also bis morgen, halb zehn. Schlaf weiter.«
Sie legte auf und ging hinüber, um den Kessel vom Herd zu nehmen. Als nächstes wäre Elise anzurufen, aber dazu hatte sie keine Lust. Und dann all die anderen Anrufe. Außerdem waren da noch die letzten Sachen für Sylvie einzupacken und Beruhigungspillen für den Kater zu besorgen. Sie mußte überlegen, welche Kleider sie für die Examensfeier mitnehmen wollte und was sie für eine Übernachtung brauchte. Dann mußte sie überlegen, was sie zur Beerdigung anziehen sollte. Sie würde Aaron treffen. Abermals verspürte sie ein Flattern in ihrer Brust. Wie eitel war das doch alles. Als ob es darauf ankäme, wie sie aussah. Cynthia war tot. Aber trotzdem. Sie würde Aaron wiedersehen. Vielleicht sogar mit ihm ein paar Worte wechseln. Oder gar zusammen weinen. Sie sehnte sich nach Aaron, nach Trost. Aber Aaron war ihr immer noch böse, wegen Sylvie. Weil sie sie in dieses Sonderschul-Internat brachte. Obwohl er seine Tochter nicht gerade oft besucht hatte, seitdem er ausgezogen war, wollte er nicht, daß sie außer Haus kam.
Annie schaute hinüber zu dem nett angerichteten Frühstück, das sie schon am Vorabend für sich selbst und Sylvie gedeckt hatte. Und jetzt war Cynthia gestorben.
Annie merkte, daß sie immer noch den Kessel in der Hand hielt. Plötzlich stellte sie ihn auf den Herd zurück, öffnete entschlossen den Kühlschrank und suchte das Pfund Kaffee hervor, das sie immer noch aufbewahrte. Sie würde sich eine ordentliche Tasse machen. Schließlich war sie allein, und niemand war Zeuge ihres Schwachwerdens. Einer der wenigen Vorteile, die einer allein gelassenen Frau blieben.
Das Gefühl der Einsamkeit traf sie so unvermittelt, daß sie sich am Kühlschrank festklammern mußte. Sie dachte daran, wie sie hier gestanden und Aaron seine gepackten Sachen am Lieferanteneingang deponiert hatte. »Ich nehme nur diese Sachen mit und lasse den Rest unten abholen«, waren seine Worte gewesen, und Annie hatte schweigend genickt.
»Ich werde für eine Weile im Carlyle bleiben. Du kannst mich tagsüber im Büro erreichen.« Wieder hatte sie genickt, stumm, vor lauter Gram und Verwirrung unfähig, auch nur zu denken.
»Laß uns versuchen, uns gegenseitig etwas mehr Freiraum zu gönnen, okay?«
»Freiraum ist das letzte, was ich brauche«, hatte sie entgegnet und selbst gemerkt, wie verloren sie sich anhörte.
Er hatte sie freundlich angeschaut, denn im Grunde war Aaron ein freundlicher Mensch. »Schau nicht so tragisch drein, Annie. Auch das wird vorübergehen.« Und dann war er fort.
Er hatte gesagt, es würde nur eine zeitweilige Trennung sein, aber das war gelogen. Aaron – ihr Kamerad, ihr Liebster, der gute Vater ihrer Söhne, der Mann, dem sie vor allen anderen ihr Vertrauen geschenkt hatte – er war fortgegangen. Die Erinnerung war wie ein Hieb.
Allein stand sie in ihrer makellos schimmernden, leeren Küche, bis das Gefühl nachließ. Wieder dachte sie an Dr. Rosen, die über drei Jahre lang ihre Therapeutin gewesen war und die so abrupt die Behandlung abgebrochen hatte. Sollte sie nicht doch anrufen und sie bitten, ihr gerade jetzt beizustehen? Aber Frau Dr. Rosen hatte sie verletzt, sie eine ›abhängige Persönlichkeit‹, eine ›Märtyrerin‹ genannt, und obwohl Annie ihr darin bis zu einem gewissen Grad recht gab, hatte sie den Wunsch, die Therapeutin zu widerlegen.
Annie kniete nieder, um Pangor zu streicheln. »Hast du Hunger, Baby?«
Sie öffnete eine Dose von seinem Lieblingsfutter. Wenn sie sich Mühe geben würde mit ihrem Make-up und früh zur Beerdigung käme, würde sie Aaron treffen können. Die Scheidung war gerade erst gewesen. Trotz dieser Trennung, trotz ihres Streits wegen Sylvie wäre es doch möglich, daß er genauso unglücklich war wie sie. Auch wenn er nicht gerade unglücklich geklungen hatte, als er sie vor zwei Tagen wegen der Abschlußfeier angerufen hatte. Aber dieses neue Ereignis könnte eine Erschütterung auslösen. Vielleicht würden
Weitere Kostenlose Bücher