Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
kleine Farbflocken zu Boden.
    »Hab dich reinkommen gehört, Glendy«, sagte er. »Kannste mir ma sagen, was das is?«
    Seine andere riesige Hand streckte ihr einen steifen, cremefarbenen Briefumschlag entgegen. Von der Sorte sah man nicht viele in Tolle Schwestern.
    »Das ist ein Brief«, antwortete Glenda.
    Der Mann hielt ihn ihr unter die Nase, und jetzt sah sie den großen Buchstaben V auf der gefürchteten Regierungsbriefmarke, die bei all jenen, die noch Steuern zu zahlen hatten, Angst und Verzagen verbreitete.
    »Seine Lordschaft hat mir geschrieben!«, sagte Herr Stollop gepeinigt. »Warum setzt er sich hin und schreibt mir’n Brief? Ich hab doch nix verbrochen!«
    »Haben Sie schon mal dran gedacht, ihn aufzumachen?«, fragte Glenda. »Mit dieser Methode kriegt man im Allgemeinen raus, was in einem Brief drinsteht.«
    Wieder einer dieser flehenden Blicke. In Tolle Schwestern gehörten Lesen und Schreiben zu den verweichlichten Verrichtungen, die man zu Hause erledigte und am besten den Frauen überließ. Echte Arbeit erforderte einen breiten Rücken, starke Arme und schwielige Hände. Herr Stollop entsprach absolut diesen Anforderungen. Er war Mannschaftsführer der Schwestern und hatte in einem Spiel drei Männern jeweils ein Ohr abgebissen. Glenda seufzte, nahm ihm den Brief aus der Hand, die, wie sie dabei feststellte, leicht zitterte, und schlitzte ihn mit dem Daumennagel auf.
    »Hier steht: Sehr geehrter Herr Stollop«, sagte sie, und der Mann zuckte zusammen. »Ja, damit müssten Sie gemeint sein.«
    »Steht da irgendwas wegen Steuern oder so?«, fragte er.
    »Davon sehe ich nichts. Hier steht nur: ›Ich würde mich sehr freuen, Sie bei einem Festessen als Gast begrüßen zu dürfen, das ich am Mittwochabend um acht Uhr in der Unsichtbaren Universität zu geben gedenke, um die Zukunft des berühmten Spieles Tritt-den-Ball zu besprechen. Für Ihr Erscheinen als Mannschaftskapitän der Tollen Schwestern wäre ich überaus dankbar.‹«
    »Warum denn ausgerechnet ich?«, fragte Stollop.
    »Hier steht, weil Sie der Mannschaftskapitän sind.«
    »Schon, aber warum ich?«
    »Vielleicht hat er alle Mannschaftskapitäne eingeladen«, spekulierte Glenda. »Sie könnten ja einen von Ihren Leuten mit einem weißen Schal rumschicken und mal nachfragen lassen, oder?«
    »Schon, aber angenommen, ich bin der Einzige«, sagte Stollop wieder, fest entschlossen, das Entsetzen bis zur bitteren Neige auszuloten.
    Glenda hatte eine kluge Idee. »Dann, Herr Stollop, würde es ganz so aussehen, als sei der Kapitän der Tollen Schwestern der Einzige, der wichtig genug ist, um mit dem Regenten selbst über die Zukunft des Fußballs zu diskutieren.«
    Stollop drückte nur deswegen die Brust nicht heraus, weil er sie ständig herausgedrückt hatte, aber mit einer geschickten Anspannung der Muskeln konnte er den Effekt noch ein bisschen verstärken. »Ha, das hat er ganz richtig erkannt!«, brüllte er.
    Glenda seufzte innerlich. Der Mann war stark, aber seine Muskeln verwandelten sich bereits in Fett. Sie wusste, dass ihm seine Knie wehtaten. Sie wusste, dass er in letzter Zeit ziemlich rasch außer Atem kam, und wenn er mit etwas konfrontiert wurde, das er weder umrempeln, niederboxen noch wegtreten konnte, war Herr Stollop eine ziemliche Niete. Die herabhängenden Hände ballten und öffneten sich in dem Versuch, das Denken für ihn zu übernehmen.
    »Was soll das alles?«
    »Ich habe keine Ahnung, Herr Stollop.«
    Er verlagerte das Gewicht. »Es hat doch nix mit dem Dösel zu tun, der heute was abgekriegt hat, oder?«
    Es kann jeder gewesen sein, dachte Glenda, in der das kalte Grauen aufstieg. Andererseits passierte so etwas so gut wie jede Woche. Es muss ja keiner von beiden gewesen sein. Wahrscheinlich aber doch, natürlich, ich weiß es, aber ich weiß es nicht, ich kann es ja nicht wissen, und wenn ich das nur oft genug wiederhole, ist das alles vielleicht überhaupt nicht passiert.
    Ein Dösel, der heute was abgekriegt hat, dachte Glenda mit einem jähen Anflug von Panik. Das hieß wahrscheinlich, dass er im falschen Trikot am falschen Ort gestanden hatte, was in etwa einer Verletzung gleichkam, die man sich selbst zugefügt hatte, selber schuld. Ein klarer Fall von Selbstmord.
    »Meine Jungs sind zurückgekommen und haben gesagt, dass es draußen auf einer großen Straße passiert ist. Haben sie jedenfalls gehört. Sie haben gehört, dass er tot is.«
    »Gesehen haben sie es aber nicht?«
    »Ganz genau, gesehen haben

Weitere Kostenlose Bücher