Der Club der unsichtbaren Gelehrten
ist es das Gleiche: Türmchen und Fahnen nach vorne raus, Dienstbotenzimmer und Wasserrohre auf der Rückseite. Soll ich noch mal nachgießen? Sie können hier schlecht mit ’nem leeren Glas herumstehen, das fällt doch auf!«
In der kühleren Luft ging es ihr schon besser. Glenda hielt immer noch ihr Glas in der Hand. »Was ist das für ein Zeug?«
»Tja, wenn das einfach nur irgendeine Party gewesen wäre, dann wäre es wahrscheinlich der billigste Schaumwein, den man durch eine Socke seihen kann, aber Madame lässt sich nie lumpen. Es ist das wahre Stöffchen, das Original. Champagner.«
»Was? Ich dachte, nur piekfeine Leute trinken sowas!«
»Nein, nur Leute mit Geld, meine Liebe. Was manchmal dasselbe ist.«
Glenda schaute genauer hin und hielt die Luft an. »Was? Sind Sie das, Pepe?«
»Ja, ich bin’s, meine Liebe.«
»Aber Sie sind nicht … überhaupt nicht mehr …« Sie wedelte hektisch mit den Händen in der Luft herum.
»Außer Dienst, meine Liebe. Keine Bange …« Er wedelte ebenso hektisch mit den Händen. »Ich habe hier eine Flasche ganz für uns. Möchtest du noch was?«
»Eigentlich sollte ich ja längst schon wieder da drin …«
»Warum denn? Um wie eine alte Henne um sie herumzuflattern? Lass sie doch, meine Liebe. Sie ist wie ein Entenküken, das zum ersten Mal Wasser gefunden hat.«
Pepe sah in diesem Halbdunkel größer aus. Vielleicht lag es an der Sprache und dem fehlenden Getue. Außerdem sah wahrscheinlich jeder, der neben Madame Sharn stand, klein aus. Aber er war gertenschlank und sah aus, als bestünde er nur aus Sehnen.
»Aber wenn ihr etwas zustößt!«
Pepes Grinsen leuchtete. »Ja, wenn! Es stößt ihr aber nichts zu, ihr bestimmt nicht. Verlass dich drauf. Sie hat Mikro-Kette für uns verkauft, so viel steht fest. Ich habe Madame gleich gesagt, dass ich ein gutes Gefühl dabei habe. Sie hat eine große Karriere vor sich.«
»Nein, sie hat einen guten, festen Job in der Nachtküche, bei mir«, erwiderte Glenda. »Vielleicht nicht das ganz große Geld, aber es kommt regelmäßig, jede Woche. Bar auf die Hand, und den Job verliert sie auch nicht, wenn jemand anspaziert kommt, die noch hübscher ist als sie.«
»Tolle Schwestern, hab ich recht? Hört sich nach der Gegend um die Bottmeierstraße an«, sagte Pepe. »Bin mir ziemlich sicher. Nicht allzu mies, soweit ich mich erinnere. Bin dort nicht allzu oft zusammengeschlagen worden, aber unterm Strich geht es dort zu wie in einem Krebseimer.«
Glenda war völlig verdutzt. Sie hätte Wut oder Herablassung erwartet, aber nicht dieses feine sarkastische Grinsen.
»Ich muss schon sagen, für einen Zwerg aus Überwald kennen Sie sich in unserer Stadt ziemlich gut aus.«
»Aber nein, meine Liebe, für einen Jungen aus dem Hohen Schlag weiß ich ziemlich viel über Überwald«, sagte Pepe ruhig. »Alte Käsegasse, um genau zu sein. Dort bin ich aufgewachsen, ehrlich. Bin nicht immer ein Zwerg gewesen, weißt du. Hab mich denen einfach angeschlossen.«
»Was? Geht das überhaupt?«
»Tja, das hängen sie natürlich nicht an die große Glocke. Aber wenn man die richtigen Leute kennt, geht das schon. Und Madame kannte die richtigen Leute, ha, besser gesagt, sie wusste so einiges über die richtigen Leute. Es war nicht weiter schwer. Ich muss an ein paar Dinge glauben, es gibt ein paar Bräuche, und natürlich muss ich mich vom guten alten Suff fernhalten …« Er lächelte, als ihr Blick auf das Glas in seiner Hand fiel, und fuhr fort: »Nicht so schnell, meine Liebe, ich wollte gerade dazusagn: ›wenn ich arbeite‹, und ich habe eine wirklich gute Arbeit. Ein Suffkopp zu sein ist ziemlich behämmert, ganz egal, ob man eine Stollendecke abstützt oder ein Mieder zunietet. Und die Moral von der Geschieht’: Pack das Leben am Schopf oder fall wieder in den Krebseimer zurück.«
»O ja, das lässt sich immer so leicht sagen«, blaffte Glenda und fragte sich, was Krebse mit all dem zu tun hatten. »Im richtigen Leben tragen Menschen Verantwortung. Wir haben keine glitzernden Jobs mit jeder Menge Geld, aber es sind echte Jobs, bei denen man etwas macht, was die Leute brauchen! Ich würde mich schämen, wenn ich Stiefel für vierhundert Dollar das Paar verkaufen würde, die sich nur reiche Leute leisten können. Was soll das alles überhaupt?«
»Sie müssen zumindest zugeben, dass dadurch die reichen Leute weniger reich werden«, erwiderte die schokoladene Stimme von Madame hinter ihr. Wie viele füllige Leute konnte sie
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