Der Code des Luzifer
einem Kettenblitz. Sieht aus wie eine Koralle am Nachthimmel. Und das hier … «, er schob den anderen Ausdruck näher, »ist das Firmenlogo von Perun Industries. «
»Blitze … «, sagte Max, und die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, »… bringen Licht … Lux Ferre … «
»Was? Zabala hat diesen Ausdruck in einem seiner Briefe verwendet …«, sagte Fauvre und kramte in Zabalas Dokumenten herum. »Hier!« Er hielt den zerknüllten Rest eines Papierbogens hoch. » Lux Ferre. Das hat er befürchtet! Hier steht es ja. Ich konnte nichts damit anfangen.«
»Das war ein Hinweis«, sagte Max. »Was ist das für eine Firma?«
»Öl und Gas. Die Förder- und Verwertungsrechte wurden vor Jahren verkauft, und der Mann, dem Perun Industries mal gehört hat, behielt bloß den Namen. Es gibt keine Anteilseigner. Das ist ein milliardenschweres Privatunternehmen. Es sieht so aus, als ob sich der Mann zurückgezogen hätte. Sein Name ist Fedir Tischenko, ein Ukrainer. Er lebt irgendwo in der Schweiz.«
Max wusste, dass er seinen Feind gefunden hatte.
Und Fauvre hatte Recht gehabt – Zabala hatte ihm das Codewort mitgeteilt. Er hatte es ihm wenige Augenblicke vor seinem Tod zugerufen: Luzifer.
Sayid, wo steckst du?
L-U-Z-I-F-E-R. Das Codewort.
23
F edir Tischenko massierte Aloe-vera-Creme in seine schuppige Haut ein.
Bergsteiger verwendeten Feuchtigkeitscreme, weil ihnen der Wind in großer Höhe die Gesichtshaut ausdorrte, aber für Tischenko war dies zum täglichen Ritual geworden, seit der Blitzgott ihn getroffen hatte. Kleine Partikel abgestorbener Haut lösten sich unter seinen Fingernägeln, und sein haarloser Körper glich dem eines Reptils.
War es das grausame Werk der Natur, die Ungeheuer schuf? Tischenko war das egal. Die Gesellschaft hatte die meisten der Leute, die für ihn arbeiteten, ausgestoßen. Entweder aus Dank oder aus Angst taten sie alles, was er von ihnen verlangte. Loyalität konnte man sich kaufen. Die Kerngruppe der Wissenschaftler aber bildeten Ausgestoßene wie er. Manche hatten eine körperliche Behinderung, andere hatten wegen ihres Geisteszustands eine lieblose, fast grausame Behandlung erdulden müssen. Jeder steckte in seiner ganz persönlichen Hölle der Einsamkeit, doch alle hatten ein besseres, gerechteres Leben gewollt und in Fedir Tischenko einen mächtigen Verteidiger gefunden. Als Einziger von ihnen besaß er genug Geld, den unstillbaren Wunsch nach Unsterblichkeit zu befriedigen. Er bot ihnen die Chance, es einer lieblosen Welt heimzuzahlen. Fedir Tischenko wollte sich die furchterregende Kraft des Universums in einem alles erschütternden Augenblick mit Licht undFeuer zunutze machen, und das mit einer Wucht, wie es sie seit der Entstehung der Welt nicht mehr gegeben hatte.
Dieser stille Wahnsinn hatte ihn schon vor Jahren erfasst und war immer tiefer in seine Psyche eingedrungen, bis er für ihn zur Normalität geworden war. Tischenko wollte eine neue Lebensform schaffen, und wenn man das erreichen wollte, musste man eben damit rechnen, dass viele andere sterben mussten. Er war kein wild herumtobender Verrückter mit hassverzerrtem Gesicht, der bösartige Genozide begehen wollte – nein, er sah sich als Erwählten.
Soweit es denen bekannt war, die nicht zu seinen engsten Mitarbeitern zählten, investierte Fedir Tischenko alles, was er besaß, in die Erforschung einer alternativen Energiequelle, die die geschundene Welt dringend benötigte. Jetzt stand Angelo Farentino in aller Ahnungslosigkeit vor ihm im Zimmer und erzählte ihm von der gewaltigen Katastrophe, die über große Teile Europas hereinbrechen konnte, wenn er sein Projekt weiter betrieb. Aber das konnte Tischenko nicht beeindrucken.
»Der Zusammenhang zwischen Max Gordon und Zabala ist also reiner Zufall?«, fragte er und kratzte sich Haut vom Wangenknochen.
»Ja! « Kapierte dieser Wahnsinnige denn nicht, was er eigentlich herausgefunden hatte? Das Unglück, das über sie kommen würde, wäre von Tischenko selbst herbeigeführt! Dieser Idiot würde sie alle umbringen!
Tischenko nickte. Weder der Vater dieses Jungen noch seine Wissenschaftler-Freunde bei den Umweltagenturen hatten etwas damit zu tun. Gut. Dass der Junge da war – reiner Zufall, aber er hatte Informationen, die Tischenko brauchte. Das Schicksal hatte Max Gordon auf das Gleis gestellt, auf dem ein kosmischer Zug rollte, und er würde sterben. Bis jetzt hatte sichder Junge allerdings nicht aufhalten lassen. Er hatte einen Lawinenabgang
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