Der Code des Luzifer
Tausenden Metern Höhe hinauf. Wie sollte er da hinaufkommen? Der Schnee war ein Problem,die Kälte auch. Das Schild warnte davor. Es zeigte aber auch genau, wohin Max gehen musste. Er fing wieder an zu laufen und schob den nagenden Gedanken beiseite: Wie viele Wölfe mochten in diesen Bergen wohl frei herumlaufen? Und wonach konnten sie jagen, was konnten sie fressen – denn Max sah nirgendwo einen Bauernhof, nirgendwo natürliche Beute.
Hinter einer Kurve erblickte er das erste Hindernis. Ein Maschendrahttor, einige Hundert Meter weiter auf seinem Pfad. Es war ein gewöhnliches Tor, vier Meter hoch und Teil eines Zauns, der in den Felswänden verankert war. Max kletterte drüber. Ein zweites Schild wiederholte die Warnung von vorhin. In einiger Entfernung sah er ein teilweise vom Schnee zugewehtes Fahrzeug stehen. Bobbys Bus!
Vorsichtig zu sein brauchte er hier nicht. Der Bus war verlassen. Es gab keine Fußspuren und die Seitenwände des Autos waren von Schneewehen bedeckt. Max riss die Fahrertür auf. Es roch übel – nach vergammeltem Essen und Zigaretten. Er kletterte ins Auto. Es war eine dunkle, kalte Kiste, sein Freund war hier gefangen gehalten worden. Der ins Auto wehende Wind brachte etwas zum Schaukeln – Sayids Misbaha! Er war tatsächlich hier gewesen! Max kletterte über die Sitze nach hinten und nahm die Kette an sich. Wenn man mit Wünschen etwas erreichen könnte! Dann wäre sein Freund jetzt hier bei ihm. Doch ihm war klar, dass viel mehr auf ihn zukam – zähes, unnachgiebiges Suchen.
Max konnte im Bus nichts anderes erkennen, was ihm irgendwie weitergeholfen hätte. Gott sei Dank sah er nirgends Blut. Ein paar Surfbretter, Schlafsäcke, eine Matratze. Genau so, wie er es in Erinnerung hatte, nur, dass er jetzt überlegte, was Sayid hier wohl durchgemacht haben mochte. Max stöberte in den herumliegenden Sachen. Ein paar Tüten Chips undeine halb leere Wasserflasche. Er stopfte alles in seinen Rucksack und schob die Hecktür auf.
Ein paar Meter weiter auf dem Weg kam das nächste, nun schon anspruchsvollere Hindernis: ein verzinktes Tor und ein Zaun, der, einige Hundert Meter lang, zu beiden Seiten an Berghängen hinaufführte und in den Felsen verankert war. Ein paar Meter dahinter war NATO-Draht ausgerollt, und wiederum zehn Meter dahinter folgte ein zweiter, elektrisch geladener Zaun. Die Straße führte weiter in die Berge hinein, aber selbst wenn er das Tor überwand, musste er dieses Niemandsland durchqueren. Und an jeder Kreuzung beleuchteten mattrote Lichter seitliche Absperrungen – es sah fast so aus wie die Kontrollschleusen in manchen Geschäften zur Abschreckung von Ladendieben.
Der Wind blies stark; das Metall des kalten Busses knackte. Die Uhr tickte. Max hatte keine Zeit, so hoch an den Hängen hinaufzusteigen, dass er oberhalb der Barrieren vorbeikam. Er kletterte kurzentschlossen die Leiter an der Rückwand des Busses hinauf und öffnete die Haltegurte, mit denen Bobbys in Schutzhüllen steckenden Surfboards festgezurrt waren.
Das Brett, das hinten im Bus auf dem Boden lag und das Sayid bekritzelt hatte, als er nach der Lösung des magischen Zahlenquadrats suchte, lag noch genau so da, wie Sayid es beabsichtigt hatte – von allen unbemerkt, auch von Max.
Es dauerte zwanzig Minuten anstrengender Kletterei, bis Max etwa achtzig Meter weiter oben einen schmalen Felsvorsprung erreicht hatte. Dort angelangt, warf er die Hülle des Surfbretts weg, bereitete alles vor, setzte sich die Schutzbrille auf, schob die Füße in die Fußschlaufen und zog das Segel zu sich hoch. Es knatterte vor Kraft. Der Wind fauchte durch Felsspalten und um Bergflanken, erfasste den Flügel des Boardsund riss Max vorwärts. Er duckte sich hinter das Segel, zog den Gabelbaum mit dem Haltegriff zu sich heran. Er musste Tempo kriegen und dann an der richtigen Stelle den Absprung finden, um diese nicht sehr einladenden Zäune zu überwinden. Das hier war Bobbys eigenes Surfboard. Der Champion hatte das schnellste und beste von allen, und Max war sich nicht sicher, ob er damit zurechtkam. Für extrem schnelles Fahren gebaut, sauste das Board über das Schneefeld. Max zog an dem Gabelbaum und das zwölf Quadratmeter große Rennsegel reagierte, die steife Tragfläche hielt ihn auf Kurs. Der Wind blies in Böen, und er richtete das Segel noch einmal aus; es zerrte an seinen Schultergelenken und die kalte Luft stach ihm in die Wangen. Das nach Geschwindigkeit lechzende Schnellboot, das er gestohlen
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