Der Code des Luzifer
falschen Sachen«, sagte Bobby und biss in sein Brötchen. »Was soll’s – jetzt gehen wir surfen.«
Die Welle stieg auf. Der ablandige Wind blies feine Gischt von ihrem Kamm, als Max das Segel des Surfbretts in den Wind drehte und knatternd über die weißen Schaumkronen glitt. Einer von Bobbys Surfkumpels hatte ihm einen Neoprenanzug geliehen, knallblau, mit einer geschwungenen gelben Linie auf dem Rücken. Das Ding sah gut aus, passte aber nicht richtig. Max spannte die Schultern an und fing den Aufprall einer harten Woge mit den Knien ab, hatte aber den böigen Wind falsch eingeschätzt und klatschte in den kalten Atlantik.
»Das hat er in North Devon gelernt«, erklärte Sayid Bobby. Die beiden sahen vom Strand aus zu.
»Unter Wasser schwimmen? Eigentlich sollte man oben bleiben«, sagte Bobby lachend, während Max mit dem Surfbrett an Land kam.
»So ein Mist«, keuchte Max und ließ sich auf den Grasstreifen am Strand fallen.
»Die Stelle ist zum Windsurfen nicht besonders geeignet. Ich werd’s mal ohne Segel versuchen. Bis später, Leute«, sagte Bobby und stürzte sich mit seinem Surfbrett unterm Arm in die Fluten. Peaches und die anderen sausten bereits über die Wellen.
»Wir können hier nicht den ganzen Tag abhängen«, sagte Max. »Ich wollte bloß nicht einfach wieder verschwinden. Bobby hat nichts dagegen, dass wir hier sind, aber ich muss diese Abtei finden, Sayid, und zwar möglichst, bevor Sophie wieder auftaucht.«
Sophie war am Morgen nach Biarritz gefahren, um den Mietwagen zurückzubringen. Sie hatte sich ziemlich ausweichend verhalten, aber gesagt, sie werde zum Château zurückkommen, wenn er das wolle.
Sie und Max trauten einander immer noch nicht wirklich über den Weg – beide ahnten, dass der andere mehr mit Zabala zu tun hatte, als er bisher zugegeben hatte. Sie waren durch gegenseitiges Misstrauen miteinander verbunden.
»Ich habe mir alle alten Reiseführer im Château angesehen, und die einzige Abtei, die ich gefunden habe, liegt ein paar Hundert Kilometer nördlich von hier«, sagte Sayid.
Max trocknete sich ab. Der Wind ließ nach; bald würde das Wetter sich verschlechtern und dann würden Bobby und seine Freunde zum Snowboarden in die Schweiz weiterfahren. Er musste Bobbys Kenntnisse nutzen, solange es noch ging. Das Dumme war nur, dass Bobby Morrells Ortskenntnisse sich mehr oder weniger auf Surfbedingungen und Mädchen beschränkten, was zu jeder anderen Zeit von Vorteil gewesen wäre, aber nicht jetzt. Max sah über die Dünen zum Château.
Die Komtess stand am Fenster. Als Max in ihre Richtung blickte, wandte sie sich ab. Es war kein Atlantikwasser, was Max jetzt kalt über den Rücken lief.
Zeit, ein weiteres Risiko einzugehen.
Der schwarze Audi glitt durch die frühmorgendlichen Straßen wie eine Raubkatze auf der Suche nach Beute. Biarritz war noch wie ausgestorben. Die Bürgersteige waren mit Autos vollgestellt – das Parken war wie in allen Städten ein Albtraum. In zwei Stunden würden die schmalen Straßen im Verkehr ersticken, und dann würden Corentin und Thierry niemals die kleine Seitenstraße finden, nach der sie suchten.
Sie hatten das Mädchen verloren und der Junge war ihnen in Pau entwischt. Dann aber hatte das Mädchen ein Auto gemietet, und mit etwas Glück würde es es heute zurückgeben. Die beiden Killer waren von Norden in die Stadt gekommen und dann die Avenue de l’Impératrice hinunter zum Hôtel de Palais gelangt, wo reiche Leute sich vom Fünf-Sterne-Luxus verwöhnen ließen. Auf dem Parkplatz des Hotels war so ziemlich jedes Spitzenmodell vertreten, stellte Corentin fest, als sie daran vorbeirollten. Thierry studierte den Stadtplan und fluchte leise, weil er sich in dem Einbahnstraßensystem nicht zurechtfand. Corentin empfand keinen Neid auf die Reichen und ihr Leben. Sein Weg war schon bestimmt worden, als er ein kleiner Junge war. Und als Mann hatte er den Erwartungen entsprochen und die sinnlose Gewalt seiner Kindheit aufgegeben. Die Fremdenlegion hatte seine Aggressivität kanalisiert und ihn Denken und Benimm gelehrt. Er hielt an einer Reihe von Werten fest, die ihm wichtig schienen, und es war bekannt, dass er, wenn ein Auftrag gewisse Instinkte in seinem Innern berührte, auch schon mal ohne Bezahlung arbeitete. Einen Menschen zu töten,der wirklich böse war, war für ihn ein Akt der Nächstenliebe, ein Beitrag für die Gesellschaft.
Nach einigem Hin und Her bogen sie schließlich in eine schmale Straße ein.
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