Der Code des Luzifer
einen irischen Vater hatte. Basken und Kelten, zwei Völker, die viele Mythen und Legenden kannten. Was hatte dieser Junge vor? Warum fühlte sie sich plötzlich so unbehaglich? Dieser Max Gordon besaß eine ganze besondere Art von Energie. Etwas Urtümliches, das geweckt werden konnte.
»Setz dich«, sagte sie.
Max zog einen Rattanstuhl heran und nahm Platz. Sie winkte ihn näher heran. Er rutschte ein paar Zentimeter vor.
»Gib mir deine Hand.«
Er tat wie geheißen und sie umschloss seine Hand mit beiden Händen. Ihre schwieligen Fingerkuppen zogen die Falten und Linien seiner Handfläche nach und strichen über seine Knöchel. Schließlich hielt sie inne. Sie hatte Trauer und Verlust in seiner Hand gespürt.
»Deine Mutter.« Sie schüttelte sanft den Kopf. »Du warst sehr jung, als sie starb.«
Max schwieg, er dachte daran, wie sein Vater ihn damals mit Tränen in den Augen in die Arme genommen hatte. Bis dahin hatte er seinen Vater noch niemals weinen sehen – und später dann auch nie mehr.
Die Komtess wartete, sie fühlte die Kraft und Entschlossenheit, die wie eine feine Strahlung von diesem Jungen ausging. Nichts Böses. Aber eine dunkle Macht, die spürbar in ihm lauerte.
»Die Energie deines Vaters strömt in dir. Du trauerst um ihn. Aber er ist nicht tot.«
»Ja«, antwortete Max und sah seinen Vater deutlich vor sich. Die Komtess flüsterte eine Wahrheit, die er noch keinem zu sagen gewagt hatte.
»Du machst dir Vorwürfe. Etwas Schlimmes ist geschehen. Und du fühlst dich schuldig.«
Max schluckte, er hatte einen ganz trockenen Mund. Die Erinnerung an die verzweifelten Bemühungen, seinen Vater aus der Gefangenschaft in Afrika zu befreien, nagte noch immer schrecklich an ihm. Hätte er seinen Dad früher gefunden, wäre ihm die Folter vielleicht erspart geblieben. Und dann läge sein Geist jetzt nicht in Scherben wie ein zerbrochener Spiegel.
Die Komtess kam zu dem Schluss, dass der Junge gute Gründe für seine Suche hatte.
»Was du suchst, ist keine Abtei, Max. Das Anwesen wurdeim neunzehnten Jahrhundert von einem Forscher erbaut. Es ist nach ihm benannt. Das Château d’Antoine d’Abbadie.« Sie lächelte.
»Eine Touristenattraktion.«
»Was?«
»Viel Reklame wird nicht dafür gemacht, aber ganz unbekannt ist es nicht.«
»Wo?«
»In Hendaye, an der spanischen Grenze. Ungefähr eine Stunde von hier.«
Er hatte Zabalas verzweifelte Schreie kurz vor seinem Tod falsch verstanden. Was er als » abbaye « gehört hatte, war der Name Abbadie gewesen.
»Können Sie das für sich behalten?«, fragte Max die Komtess.
»Eine Touristenattraktion? Wohl kaum«, entgegnete sie lächelnd.
»Dass Sie mir das gesagt haben. Bitte. Sagen Sie Sophie nichts davon. Ich muss mir das erst allein ansehen.«
»Also gut. Ich bin schließlich eine Vertraute von Königen und Königinnen gewesen.«
Max hob verwundert die Augenbrauen.
»Nicht in diesem Leben«, erklärte sie ruhig und ohne die Spur eines Lächelns. Offenbar scherzte sie diesmal nicht. »Ich gebe dir mein Wort.«
Max wandte sich zum Gehen. Jetzt brauchte er Bobbys Auto und Sayids Gehirn.
Als er das Zimmer verließ, legte die Komtess gerade ihre Karten aus. Es waren Tarotkarten, von denen manche Leute glauben, dass sie Aufschluss über die Lebensreise eines Menschen und seinen Kampf mit den elementaren Mächten gebenkönnen. Sie deckte vier Karten auf – und was sie sah, erfüllte sie mit Angst.
Zuerst die Hohepriesterin – die Macht des Unbewussten. Geheimnis.
Dann folgte das Skelett – Zerstörung und Erneuerung. Sterblichkeit.
Schließlich ein Turm, in den der Blitz einschlägt – ein Schicksalsschlag. Katastrophe.
Die letzte Karte zeigte einen jungen Mann mit einem Stab auf der Schulter – ein Junge auf Wanderschaft, auf der Suche. Sprung ins Unbekannte.
Max Gordon war in Lebensgefahr.
10
H undert Meter vor der Küste saßen die beiden Freunde von Bobby Morrell auf ihren Boards und warteten auf eine Welle, die einen anständigen Ritt versprach. Peaches, die noch weiter draußen war, hatte bereits eine hohe Woge erwischt und kurvte daran entlang, bis sie ihr Brett schließlich über den umstürzenden Wellenkamm schnitt.
Bobby schüttelte seine nassen Haare aus, griff hinter sich und zog den Reißverschluss seines Neoprenanzugs auf. Er wollte Zeit gewinnen. Max hatte ihn gefragt, ob er ihm seinen Wagen leihen würde. Sayid hatte ihm versichert, Max könne jedes Fahrzeug steuern, aber sein Verstand sagte ihm, dass er
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