Der Code des Luzifer
an der baskischen Küste mit ihrem feuchten Klima brauchte man so etwas unbedingt, wenn man die Bücher nicht irgendwo in einem geschützten Gebäude in der Stadt einlagern, sondern hierbehalten wollte, wo sie hingehörten. Aus Hochachtung vor der Lebensleistung eines Mannes, der hier in diesem seltsamen Schloss die Welt und die Menschen, die Sterne und Planeten ergründet hatte.
In den unteren Regalen entdeckte Max hauptsächlich astronomische Zeitschriften. Sie waren nach Jahrgängen gebunden. Schließlich nahm er einen hervor und legte ihn auf den Tisch.
»Sayid, nimm dir auch so einen. Von vor zwanzig Jahren, kurz bevor Zabala von hier weggegangen ist.«
Der Band war schwer, die großen Seiten unhandlich. Max’ Finger glitten über die komplizierten Darstellungen. Eine Sternenkarte. Sich kreuzende Linien, mit Zahlen oder Buchstaben bezeichnete Sterne. Vergrößerungen, Größenordnungen – Max vermochte in all dem nur ein wirres Panorama der Galaxis zu erkennen. Er blätterte rasch weiter. Nichts, das auch nur entfernt auf den Namen Zabala zu deuten schien.
»Hier fehlt was«, sagte Sayid.
»Was?« Max ging zu seinem Freund, der an den breiten Regalen entlangschlurfte, wo Platz genug für die großen Sternenkarten war.
»Die Sammlung geht zeitlich weit zurück. Hier«, zeigte er, »haben wir 1904, 1927 und so weiter. Wie lange hat Zabala hier gearbeitet?«
»Weiß ich nicht«, sagte Max.
»Also, nehmen wir an, er war zehn oder fünfzehn Jahre hier, dann fehlt hier bis vor zwanzig Jahren eine ganze Menge.«
Das schien logisch. Wenn Zabala vergeblich versucht hatte, etwas zu beweisen, wenn er damit an die Öffentlichkeit gegangen war und seine wissenschaftlichen Kollegen der Lächerlichkeit preisgegeben hatte, hatten sie seine Forschungsunterlagen sehr wahrscheinlich eingesammelt und woanders archiviert oder schlimmstenfalls sogar vernichtet.
»Schau dich mal um, ob du ein Buch oder so was findest, wo die Wissenschaftler aufgelistet sind, die hier gearbeitet haben«, sagte Max. »Ich muss mal kurz was nachsehen.«
Er sah automatisch auf sein Handgelenk, aber die Armbanduhr seines Vaters war natürlich nicht mehr da. Er schob den schmerzlichen Gedanken beiseite.
»Wie spät ist es, Sayid?«
»Gleich halb vier. Um fünf wird hier zugemacht.«
Max nickte und lief zum Treppenabsatz. Durch ein Fenster sah er, dass das Auto der Deutschen nicht mehr da war. Er ging zu einem anderen Fenster mit Blick über die Felder Richtung Küste. Der Franzose verschloss gerade eine Art Gartentor, hinter dem ein Fußweg zu den Klippen führte.
Max rannte nach unten in die Eingangshalle und warf einen Blick in das Büro. Der schwarze Anorak des Mannes hing an einem Haken, also machte er vermutlich nur seine Runde. Das hieß, er käme bald zurück.
Max schob Sayids Rollstuhl durch den Flur in die Kapelle, klappte ihn zusammen und versteckte ihn hinter der Tür. Bestimmt sah der Kartenverkäufer sich noch einmal im Château um, bevor er es für die Nacht abschloss. Aber den Rollstuhl würde er nicht bemerken, selbst wenn er auch die Kapelle kontrollierte.
Und wenn Max Glück hatte, würde der Mann zu dem Schluss kommen, dass die ganze »deutsche Familie« weggefahren war.
Max rannte die Treppe hinauf, lief zu Sayid zurück und stellte sich dicht neben ihn, damit er so leise wie möglich sprechen konnte.
»Sag mir Bescheid, wenn es Viertel vor fünf ist. Noch was entdeckt?«
Sayid hatte ein Buch mit geprägtem Ledereinband auf den Tisch gelegt, daneben lagen zusammengerollte Pläne. »Ich habe Zabala aufgespürt.« Er grinste. »Ein Verzeichnis habe ich nirgendwo gefunden, aber ich bin davon ausgegangen, dass diesen Wissenschaftlern ihr bisschen Ruhm sehr wichtig ist und dass sie deshalb niemals irgendetwas wegwerfen würden, wo ein Foto von ihnen drin ist.« Sayid schlug den großen Lederwälzer auf. »Viele Bilder der Wissenschaftler, die hier bis in die 1970er-Jahre gearbeitet haben. Danach sieht es aus, als sei der Laden geschlossen worden.«
Sayid zeigte auf ein Gruppenfoto. Die Bildunterschrift war winzig klein gedruckt, aber Zabalas Name war dabei. Die Männer bildeten zwei Reihen: die in der vorderen Reihe saßen, die dahinter standen. Zabala, mit kurzem Bart, sah fast genauso aus wie auf dem Bild in dem zerbrochenen Rahmen. Er stand da mit verschränkten Armen, hielt eine Bryèrepfeife zwischen den Zähnen und grinste in die Kamera.
»Aber ich habe Zeitungsausschnitte aus den achtziger Jahren gefunden«,
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