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Der Code des Luzifer

Der Code des Luzifer

Titel: Der Code des Luzifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilman
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dann wusste er, was er brauchte. Hoffentlich war es noch drin, dachte er und stieg hastig zu Sayid hinunter.
    Die alte Schreibmaschine.
    »Hast du was gefunden?«, fragte Sayid, als Max sich über die altmodischen Tasten beugte.
    »Kann sein«, sagte Max und hob vorsichtig die Spulen mit dem verblassten Farbband aus der Maschine. Sekunden später war er wieder oben an dem Regal. Er befeuchtete das Farbband mit Spucke und rieb damit kräftig über die Kante des Regals. Es funktionierte. Die blassen Kerben traten etwas deutlicher hervor, trotzdem konnte er nur einige wenige einzelne Wörter erkennen. Luciferi primo cum sidere frigida rurar carpamus … Da stand noch mehr, aber vollkommen unleserlich. Max las es leise vor. Luzifer! Das war’s.
    Wenn er jetzt nur Mr Chaplin bei sich hätte. Der freundliche Lehrer von der Dartmoor High hatte es geschafft, Max für alte griechische und römische Geschichte zu interessieren. Die Schule stand auf dem Gelände eines ehemaligen Vorpostens der zwanzigsten römischen Legion, und daher war im Unterricht viel von Schlachten und Soldaten zu hören – und Latein hatten sie auch.
    »Was hast du da?«, fragte Sayid leise und sah zu ihm hoch.
    Max las es noch einmal vor. »Schon wieder was Lateinisches. Keine Ahnung. Irgendwas mit … äh … Eile … oder mit dem ersten Morgenlicht.« Er schüttelte den Kopf und zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Dummkopf«, sagte Sayid.
    »Ich kann dir alle Schlachten aufzählen, die die zwanzigste Legion geschlagen hat. Aber was kann ich dafür, dass die Latein gesprochen haben?«
    »Aber Luzifer steht da, oder?«, fragte Sayid.
    »Luciferi. Ja.«
    Max besah sich die Bücher, die unmittelbar über den eingekratzten Wörtern standen. Dahinter war eine Mappe versteckt, aber so, dass ein aufmerksames Auge sie entdecken musste. Max zog sie heraus.
    Der braune Einband hatte sich abgelöst wie tote Haut. Als Max ihn aufschlug, fielen ein paar Seiten heraus. Er schob sie zusammen. Auf dem ersten Blatt war ein Kreis mit Symbolen und Ziffern um den Außenrand abgebildet; in den Kreis waren drei oder vier Dreiecke verschiedener Größe gezeichnet.
    Darüber standen in kaum lesbarer Schrift drei lateinische Wörter: Lux et veritas.
    »Hier ist noch mehr!«, rief Max aufgeregt, als er wieder nach unten zu Sayid kam. » Lux et veritas. Das heißt ›Licht und Wahrheit‹. So viel weiß ich immerhin.«
    Er legte die Papiere auf den Tisch, aber Sayid konzentrierte sich gerade auf etwas anderes. Er hatte einen Band mit Dokumenten entdeckt.
    »Verdammt«, sagte er. »Sieh dir das an, Max.«
    Er legte das große Buch neben Max’ Mappe. Die aufgeschlagene Seite zeigte ein kompliziertes Diagramm aus Geraden und Zickzacklinien. Das Ganze bildete ein Muster, das aussah wie aus Diamanten und Sternen zusammengesetzt.
    »Weißt du, was das ist?«
    »Ja«, antwortete Sayid, ohne auch nur von der Zeichnung aufzublicken.
    »Schon gut, Sayid. Lass dir Zeit. Nur keine Hektik. Du brauchst mir das Geheimnis nicht zu erklären, wenn du nicht willst.«
    »Na ja, ich bin schon überrascht. In meiner Familie gab es Bücher über islamische Kunst, und da habe ich das schon mal gesehen. Erstaunlich.«
    Max sah seinen Freund an, der wie gebannt auf die Zeichnung starrte. Er drehte sie nach links und nach rechts, und egal, welche Seite oben war, das Muster blieb immer gleich.
    »Ich erklär’s dir ja …«, sagte Sayid und verstummte wieder.
    Max seufzte und wartete.
    »Das ist die göttliche Ordnung«, teilte Sayid ihm schließlich mit.
    »Wie bitte?«
    »Die reine Geometrie. Soweit ich weiß, haben die Araber das von den Griechen übernommen, dann aber weiter verfeinert. Es besagt, dass das Chaos des Universums kein Zufall, sondern Teil eines Plans ist. So habe ich es wenigstens verstanden. Und hier in dieser Zeichnung ist das Chaos des Universums in einer klaren Ordnung dargestellt. Ganz präzise.«
    »Ich komm nicht mehr mit, Sayid.«
    Max überlegte fieberhaft. Sein Dad hatte ihm auf ihren gemeinsamen Reisen so viele Dinge beigebracht, aber das alles nützte ihm jetzt nichts. Er wusste, dass die alten Griechen manches von den Ägyptern und Babyloniern gelernt hatten und dass Inder und Araber Großmeister in Astronomie und Mathematik gewesen waren, aber wie passte das mit dem hier zusammen? Hatte sein Dad ihm denn nichts erzählt, was ihm helfen könnte, dieses Rätsel zu lösen?
    Der Gedanke an seinen Vater, der jetzt allein mit seiner Krankheit zu kämpfen hatte, quälte ihn.

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