Der Code des Luzifer
sagte Max.
»Dann hat er wohl seine Forschungen hier später auf eigene Faust weitergeführt.«
»Dafür muss es einen Grund geben. Was befindet sich alles in diesem Château? Zeug aus Afrika, Bücher in verschiedenen Sprachen, Werke zu Astronomie …« Max erinnerte sich an den Zeitungsartikel über Zabala. »Und Astrologie. Er hat sich mit beidem beschäftigt. Also gibt es hier irgendwo eine Verbindung,Sayid. Die Araber waren in alten Zeiten große Astronomen …«
Sayid klappte das Buch zu.
»Astronomie war zulässig, weil man den Bauern sagen konnte, wie sie den Fruchtwechsel zu organisieren hatten, aber Astrologie war nicht erlaubt.«
»Okay, also geht es vielleicht nur um Astronomie. Die Europäer haben die beiden Disziplinen zusammengebracht. Hier gibt es eine Menge über die Reisen des alten d’Abbadie durch Afrika. Such weiter. Aber sei leise. Was ist das?«
Er breitete die aufgerollten Pläne aus.
»Grundrisszeichnungen des Châteaus«, erklärte Sayid.
Sie hielten die widerspenstigen Blätter auf dem Tisch fest. Max fuhr mit einem Finger auf der Zeichnung herum, prüfte den Bauplan des Châteaus für den Fall, dass es vielleicht ein Geheimzimmer gab, das sie übersehen hatten oder das, noch wahrscheinlicher, den Besuchern von vornherein vorenthalten wurde.
»Wir sind jetzt hier, und das da ist das Observatorium …« »Das sollten wir uns mal ansehen«, sagte Sayid.
»Ja, sicher. Ich hatte nur gehofft, dass uns irgendetwas in diesem Raum hier weiterhelfen würde. Immerhin werden hier die ganzen Aufzeichnungen aufbewahrt. Das Observatorium wird schon seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr benutzt.«
Unten waren schlurfende Schritte zu hören. Der Franzose machte seinen Kontrollgang. Er hustete und keuchte. Im ganzen Château gingen die Lichter aus und dann glommen nur noch die Sicherheitslämpchen, kleine Scheinwerfer, die an strategischen Punkten ein wenig Helligkeit verbreiteten.
Schatten deformierten die Wände, entstellten die riesigenGemälde und machten die Räume zu einem unheimlichen Niemandsland.
Max musste unbedingt in das Büro. Beim Betreten des Gebäudes hatte er dort den Kontrollkasten für die Alarmanlage bemerkt, und die musste ausgeschaltet sein, wenn er und Sayid noch einige Stunden lang ungestört im Château nach Hinweisen suchen wollten.
Max duckte sich und spähte durch das Treppengeländer. Der alte Mann zog seine Jacke an. Dann ging er zur Eingangstür – Feierabend.
Ein Knarren – laut wie ein Donnerschlag, so kam es Max jedenfalls vor – war plötzlich von der Treppe zu hören. Sayid!
Hatte der Mann das gehört? Er drehte sich um, sah aber nicht nach oben, sondern trat noch einmal in sein Büro, nahm seine Zigaretten vom Schreibtisch, schloss die Tür und begab sich zum Ausgang.
Max huschte leise die Treppe hinauf.
Sayid war erstarrt, als sei er auf eine Landmine getreten, die bei der kleinsten Bewegung explodieren würde. Als sein Freund vor ihm auftauchte, zuckte er zusammen.
Die Haustür unten fiel ins Schloss.
Max hob beruhigend einen Daumen, und Sayid trat vorsichtig vor und schwang sich auf seinen Krücken in die Bibliothek. Max spähte aus dem Fenster und sah den alten Mann zu den Torpfosten am Ende der Zufahrt humpeln. Die Bürotür war nicht abgeschlossen. Max schlüpfte hinein. Abgestandener Zigarettenrauch hing in der Luft.
Er klappte den Deckel der Alarmanlage auf. Nur ein paar Schalthebel. Der Hauptschalter war deutlich markiert, aber auf Aus gestellt. Offenbar hatte der Franzose vergessen, die Anlage einzuschalten. Vielleicht war das Château so sicher, dass sowiesoniemand hineingelangte. Sicherheitssysteme waren eine lästige Angelegenheit, wenn man immer wieder wegen eines Fehlalarms aus dem warmen Bett gescheucht wurde. Egal. Der Hauptschalter stand auf Aus und alles andere interessierte Max nicht. Jetzt konnten sie an die Arbeit gehen.
Wieder lief er die Treppe hinauf. Durch ein buntes Glasfenster schien gelb und verzerrt der Mond. Oben stand schweigend die lebensgroße Statue eines jungen äthiopischen Kriegers mit einer Lampe in der Hand und wachte über die dunkle Treppe. »Danke, mein Freund«, murmelte Max.
Das dämmrige Château, voller Altertümer und Geheimnisse, lag jetzt friedlich und still. Max hörte, wie Sayid mit leisem Rascheln in Büchern blätterte. Als er sich oben wandte, um zu Sayid in die Bibliothek zu gehen, ahnte er nicht, dass sie nicht allein waren.
Unten, in den Schatten, bewegte sich etwas.
12
B obby
Weitere Kostenlose Bücher