Der Code des Luzifer
Sein Dad war ein ganz außerordentlicher Mensch. Sein starker, abenteuerlustiger, kluger Dad. Max riss sich zusammen. Es war nicht gut, zu lange solch belastenden Gedanken nachzuhängen. Er wollte lieber daran denken, was sein Vater ihm über die Griechen erzählt hatte. Die blutigen Konflikte der Antike faszinierten ihn, und er hatte mit seinem Vater einige der alten Schlachtfelder besucht. Das war zu der Zeit gewesen, als er große Schwierigkeiten gehabt hatte, sich in der Dartmoor High einzuleben. Also hatte ihm sein Vater Geschichten erzählt. Sie wanderten unter der heißen Sonne Griechenlands, wo Krieger in großen Schlachten gefallenwaren, und sein Vater erklärte ihm, wie der Gebrauch der Geometrie die Menschen schon vor Jahrtausenden in die Lage versetzt hatte, Belagerungsmaschinen zu bauen. Auf die Weise half ihm sein Vater, im Unterricht aufmerksam zuzuhören. Er gab ihm etwas Handfestes, woran er sich orientieren konnte, wenn das Thema nicht Fantasie, sondern Konzentration verlangte.
Max hatte es in der Schule nicht leicht gehabt. Der Schock und die Trauer nach dem Tod seiner Mutter wirkten lange nach und oft kamen ihm die Tränen. Wenn er versuchte, auch nur die simpelsten Grundlagen der Geometrie zu begreifen – das Längenquadrat der Hypotenuse ist gleich der Summe der beiden Seitenquadrate –, machte sein Gehirn manchmal einfach nicht mehr mit. Dann erzählte ihm Dad von Pythagoras. Das war ein bedeutender griechischer Mathematiker, ein vegetarisch lebender Mystiker, der davon überzeugt war, mithilfe der Geometrie die Geheimnisse des Universums lösen zu können. Geheimnisse des Universums! Und jetzt hatte Sayid gesagt, in dieser Zeichnung gehe es auch um nichts anderes.
»Wenn es in diesem Buch ist, kann es wohl kein direkter Hinweis sein«, sagte Max. »Aber vielleicht sollten wir daraus schließen, dass Zabala etwas suchte, das mit Astrologie und Astronomie zu tun hatte, und dass er sich, um das Rätsel zu lösen, der Geometrie bediente.«
Max nahm das zweite Blatt aus der Mappe. Darauf standen fünf Reihen mit jeweils fünf Zahlen. Darüber, wie eine Überschrift, ein Wort, ein Symbol und eine Zahl: Mars = 65 .
»Mars ist gleich fünfundsechzig«, sagte Max. »Was soll das bedeuten?«
»Mars ist der Kriegsgott.«
»Das weiß ich, Sayid. Aber er ist nicht fünfundsechzig Jahrealt, oder? Und er wohnt auch nicht in Haus Nummer fünfundsechzig.«
»Ich versuche nur zu helfen. Bleib locker. Ich habe dir letztes Jahr geholfen, die Matheprüfung zu bestehen, weißt du noch? Dein verrückter Mönch muss einen Grund gehabt haben, das hier abzulegen.«
»Er war nicht verrückt, da bin ich mir sicher. Er war Wissenschaftler, und das hier ist genauso ein Hinweis wie alles andere.«
Max sah sich die Zahlenreihen genauer an, sie mussten doch irgendeinen Sinn haben.
11 24 7 20 3
4 12 25 8 16
17 5 13 21 9
10 18 1 14 22
23 6 19 2 15
»Ich habe mal ein Buch über Spione im Zweiten Weltkrieg gelesen; die hatten auch so ein Codiersystem, allerdings mit Buchstaben, nicht mit Zahlen«, sagte er.
»Ich erinnere mich. Du hast mir damals endlos davon erzählt. Und?«
»Und … keine Ahnung. Hab vergessen, wie das ging.« Sayid sah ihn entsetzt an.
»Mach nicht so ein Gesicht, Sayid. Wenn ich dir so viel davon erzählt habe – warum erinnerst du dich dann nicht mehr daran?«
»Weil ich in der Zeit wahrscheinlich grade deine Matheaufgaben gemacht habe.«
Max fuhr mit einem Finger über die Zahlenreihen.
»Bei Zahlen gibt es immer irgendeine Gesetzmäßigkeit. Die haben immer was zu bedeuten«, sagte Sayid.
»Sicher«, pflichtete Max ihm bei, »sonst hätte er sie nicht da hingeschrieben. Eins kann ich dir jedenfalls sagen – alle diese Zahlenreihen, senkrecht, waagerecht und diagonal, ergeben als Summe fünfundsechzig.«
Sayid rechnete kurz nach. Max hatte recht. Die Spalten und Reihen ergaben als Summe immer fünfundsechzig.
»Gar nicht mal so schlecht.«
»Na ja, so dumm bin ich ja nun auch nicht. Hab nur ab und zu ein bisschen Schwierigkeiten mit Mathe«, erwiderte Max eingeschnappt.
Sayid nahm das Blatt in die Hand. »So was habe ich schon mal gesehen. Das nennt man ein magisches Quadrat«, sagte er nachdenklich.
»Magisch? Abrakadabra?«
»Nein, die Araber haben das bei den Indern kennengelernt. Ungefähr im siebten Jahrhundert. Und dann gab es da einen Mathematiker …« Sayid blickte auf und kramte in seinem Gedächtnis herum. »Al-Buni. So hieß er. Der hat sich um
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