Der Code des Luzifer
Sand, und plötzlichsprangen sie aus der Dunkelheit, wie Wölfe, die ein schutzloses Tier anfielen.
Er war jetzt am Wasser, aber sie hatten ihn eingeholt. Ihre Räder versprühten nassen Sand und Gischt. Gut eingespielt nahmen sie ihn in die Zange, einer von links, einer von rechts. Und als er einmal kurz stehen bleiben musste, rammte ihn ein Dritter von hinten.
Bobby schlug mit dem Gesicht auf den nassen Sand. Die See war verlockend nah. Schmerz breitete sich in seinem Rücken aus. Sie hatten ihn übel erwischt, aber er war nicht zum ersten Mal auf die Nase gefallen. Wie viele Tonnen Wasser hatten ihn schon umgeworfen? Er atmete durch den Schmerz, stieß seine Füße in den saugenden Sand und richtete sich auf.
Sie ließen ihn drei, vier Schritte machen, dann jagten sie ihre Maschinen auf ihn zu. Einer schwang einen Knüppel. Bobby konzentrierte sich auf das rettende Wasser, nur dort wäre er in Sicherheit.
Der Schlag wirbelte ihn herum. Er klatschte mit dem Hinterkopf ins Wasser und ging würgend unter. Salzwasser drang ihm in Mund und Nase, klebriger Sand erstickte ihn. Und während er keuchend nach Atem rang, höhnte ihn die Ironie des Schicksals: Du wirst in knöcheltiefem Wasser ertrinken!
Jemand packte ihn, riss sein Gesicht aus dem Wasser und schüttelte ihn. Bobby spuckte und bekam etwas Luft. Das Gesicht des anderen war nicht zu sehen, nur eine Silhouette vor dem Mond, aber er kicherte hämisch.
»Wir sind noch nicht mit dir fertig«, zischte er.
Wer noch nie die Gewalt einer sechs Meter hohen Woge gespürt hat, die Wucht, mit der sie von unten nach einem schlägt, der kann nicht wissen, über welche Kräfte jemand verfügt, der jede freie Minute auf dem Wasser verbringt. Bobby warf sichherum. Er hatte einen Batzen nassen Sand gepackt, und seine Faust, schwer wie ein Stein, krachte an den Kopf des anderen, der vor Schmerz aufschrie und ihn losließ.
Wie eine Robbe, die einem Killerwal entflieht, glitt Bobby davon und stürzte sich in das tiefere Wasser. Schon konnte er schwimmen. Hierher konnten die Motorräder ihm nicht folgen. Weiter. Den Kopf unten halten, kraulen, Luft holen, kraulen, Luft holen. Weiter! Ich muss Max warnen! Muss ihn warnen!
Er drehte sich um, legte sich mit dem Rücken in die Brandung und richtete den Blick auf die Küste. Er hatte zweihundert Meter zwischen sich und diese Typen gebracht. Sie standen reglos da und sahen ihm nach.
Er lachte. Falls die darauf warteten, dass er müde wurde, hatten sie eine lange Nacht vor sich. Bobby Morrell konnte schwimmen wie ein Delfin. Er würde durch die Bucht zur Landspitze schwimmen, über die Felsen klettern und von dort zu Fuß zum Château gehen. Irgendwo hinter dem Brandungsrauschen hörte er einen Motor aufbrummen. Was war das? Ein Motorrad war es jedenfalls nicht.
Er drehte sich um.
Das Rennboot raste direkt auf ihn zu. Sie hatten das Boot in Reserve gehabt und bei dem hellen Mond brauchten sie keinen Suchscheinwerfer. Er war ein leichtes Ziel. Das Boot umkreiste ihn, und auf den schaukelnden Wellen war er sogar noch besser zu sehen. Jetzt wendeten sie und nahmen Anlauf, ihn zu überfahren.
Er zog den Kopf ein, tauchte unter und versuchte so tief wie möglich zu kommen, damit die Schraube ihn nicht zermalmte. Das Brummen des starken Außenbordmotors hallte dumpf durchs Wasser, als die Sogwelle über ihn hinwegging. Er kamnach oben, atmete tief durch und schwamm los. Das Boot wendete zum nächsten Angriff. Er durfte die Landspitze nicht aus den Augen verlieren. Aber er hatte sich verrechnet. Das Boot war so schnell herumgeschleudert, dass es schon wieder auf ihn zuraste. Aber diesmal bremste es vorher etwas ab, da es beim ersten Versuch zu schnell gewesen und daher am Ziel vorbeigeschossen war. Irgendwann würden sie ihn erwischen.
Wenn er überleben wollte, musste er das Tempo des Angriffs genau kalkulieren. Er sah das Boot kommen, wartete, holte tief Luft und als es nur noch drei Meter entfernt war, warf er sich mit aller Kraft zur Seite. Aber das reichte nicht. Das Boot streifte ihn. Seine Rippen knackten. Ein heftiger Schmerz folgte. Er stöhnte auf, schluckte Wasser, wälzte sich herum und spuckte hustend aus.
Die kalte Wirklichkeit traf ihn wie ein Keulenschlag. Er würde es nicht schaffen. Er würde sterben.
Sie umkreisten ihn langsam, den Motor im Leerlauf, und sahen gelangweilt zu, wie die finstere See ihn zu verschlingen begann.
Er sah das Boot neben sich, einen Meter entfernt.
Helft mir.
Sie beobachteten ihn.
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