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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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erschöpft eine schlammige Wasserkaskade und fing eine kleine Ei d echse als Köder. Er befestigte das zappelnde Reptil an dem Haken und warf es in die brodelnde Strömung.
    Fünf Stunden später, das Licht reichte gerade noch aus, um das Lager zu finden, gab er auf. Er hatte drei der sechs Angelhaken und ein ganzes Stück Schnur verloren, ohne etwas zu fangen. Vor Einbruch der Dunkelheit kam er ins Lager zurück, wo Vernon das Feuer am Brennen hielt. Sally war noch nicht da.
    »Wie geht's Philip?«
    »Nicht gut.«
    Tom schaute sich seinen Bruder an und stellte fest, dass er sich in ruhelosem Schlaf hin und her wälzte. Er schien zu träumen und murmelte Satzfetzen vor sich hin. Die Schlaffheit seines Gesichts und seiner Lippen versetzte Tom in Angst. Sie erinnerte ihn an Don Alfonsos letzte Minuten. Allem Anschein nach führte Philip im Traum ein Gespräch mit ihrem Vater, dem er eine Menge Vorwürfe zu machen hatte. Dann fielen auch die Namen Toms und Vernons und der von Philips Mutter, die er seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Offenbar befand Philip sich auf einem Kindergeburtstag. Es war sein eigener Geburtstag, vermu t lich sein fünfter: Er packte seine Geschenke aus und freute sich über jedes einzelne.
    Tom trollte sich niedergeschlagen und traurig davon. Er nahm neben Vernon am Feuer Platz. Vernon schlang einen Arm um ihn. »So ist er schon den ganzen Tag.« Er reichte Tom einen Becher Tee.
    Tom nahm ihn an sich und trank. Seine Hand sah aus wie die eines Greises. Die Adern traten hervor, die Haut war fleckig. Sein Magen fühlte sich hohl an, aber ein Hungerg e fühl empfand er nicht.
    »War Sally zwischendurch mal hier?«
    »Nein, aber ich habe ein paar Schüsse gehört.«
    Und wie aufs Stichwort vernahmen sie ein Rascheln im Gebüsch, und Sally tauchte auf. Sie sagte nichts, sie nahm nur das Gewehr von der Schulter und setzte sich ans Feuer.
    »Kein Glück gehabt?«, fragte Tom.
    »Hab ein paar Baumstümpfe umgenietet.«
    Tom lächelte und ergriff ihre Hand. »Kein Baumstumpf in diesem Wald ist sicher, solange die große Jägerin Sally ihrer Beute auf der Fährte ist.«
    Sally wischte sich Schlamm aus dem Gesicht. »Tut mir Leid.«
    »Morgen«, sagte Tom. »Wenn ich früh aufbreche, schaffe ich es vielleicht bis zu dem Fluss, an dem wir Philip gefu n den haben. Ich werde vielleicht 'ne Nacht wegbleiben mü s sen, aber der Fluss war groß, und da werde ich bestimmt jede Menge Fische fangen.«
    »Prima Idee, Tom«, meinte Vernon. Seine Stimme klang angespannt.
    »Wir geben nämlich nicht auf.«
    »Nein«, sagte Sally.
    Vernon schüttelte den Kopf. »Ich frage mich, was Vater wohl dächte, wenn er uns jetzt sehen könnte.«
    Tom schüttelte den Kopf. Er hatte es längst aufgegeben, Gedanken an Maxwell Broadbent zu verschwenden. Wenn er gewusst hätte, was er angerichtet hatte ... dass er seine drei Söhne in den Tod geschickt hatte ... Es war unerträ g lich, darüber nachzudenken. Sie hatten ihn zeit seines L e bens enttäuscht, und nun enttäuschten sie ihn nach seinem Tod.
    Tom stierte eine Weile ins Feuer. »Bist du wütend auf ihn?«, fragte er.
    Vernon zögerte. »Ja.«
    Tom machte eine hilflose Handbewegung. »Glaubst du, wir sind fähig, ihm zu verzeihen?«
    »Spielt das eine Rolle?«
     
    Tom erwachte noch vor dem Morgengrauen mit einem e i genartigen Druckgefühl am Hinterkopf. Es war dunkel und regnete. Das Prasseln des Regens schien in seinen Kopf h i neinzukriechen. Er drehte sich zweimal auf dem klammen Boden herum, und aus dem Druck wurden Kopfschmerzen. Er schwang die Beine über den Rand der Hängematte, set z te sich hin und bemerkte zu seiner großen Überraschung, dass er sich kaum aufrecht halten konnte. Er sank zurück. In seinem Kopf drehte sich alles. Er stierte in die Finsternis hinauf. Sie schien von wirren rotbraunen Wirbeln und fl ü sternden Stimmen erfüllt zu sein. In der Nähe ertönte Knilchs leises, besorgtes Geschnatter. Tom schaute sich um und lokalisierte schließlich in der Finsternis das Äffchen. Es hockte neben ihm am Boden und stieß ängstliche Schnal z geräusche aus. Und nun wusste er, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Es war mehr als nur eine Auswirkung des Hungers. Ihm wurde bewusst, dass er krank war. Oh, Gott, dachte er. Nicht jetzt. Er drehte den Kopf und versuchte, Sally oder Vernon in der wirbelnden Düsternis zu erkennen. Doch er sah nichts. Seine Nase witterte den widerlichen Geruch von fauliger Vegetation, Regen und Lehm. Das Geräusch des auf

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